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wurde, warum Dieser oder Jener so lange nicht da—⸗
gewesen, dann antwortete er in trüber Stimmung:
„Er logirt jetzt immer bei meinem Sohn.“ Und eines
schönen Abends verursachte ihm seine „Achillesferse“
ein tragikomisches Malheur. Ich hatte im Kasino
Othello vorgetragen und nun wurde eifrig über
Shakespeare debattirt und ganz zufällig an unsern
liebenswürdigen Wirt die Frage gerichtet, was er
dazu sage, und da er mit der Antwort zögerte, fragte
der Frager: „Na, Sie kennen doch Shakespeare?“
Da erwiderte er melancholisch:
„Jawohl! Er hat jahrelang bei mir logirt, jetzt
wohnt er aber auch immer bei meinem Sohn.“ — — —
Als Heinrich Laube, der Dichter der „Karls⸗
schüler““', zur Leitung des Hofburgtheaters nach Wien
berufen worden war und darüber allgemeines Staunen
herrschte, erzählte Feodor Wehl als Gast meiner
Eltern, Laube habe in einer fröhlichen Gesellschaft
Folgendes zum Besten gegeben: Schon als Student
in Breslau habe er eifrigst „klassische Tragödien“
geschrieben; selbstverständlich schwerterrasselnde und
freiheitschwärmende Sechsakter, und da er als „Dichter“
zahlreicher Kneiplieder bei seinen Kommilitonen einen
sehr großen Anhang hatte, so war es gelungen, die
Direktion des Stadt-Theaters, damals noch ein enger,
dunkler Kasten in einer Nebenstraße, zur Aufführung
der großartigsten seiner Tragödien zu veranlassen.
Wehl nannte auch deren Titel, leider ist er meinem
Gedächtnis entschwunden.