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Geister gewöhnen sich schwer an das Neue. Wir werden uns noch
daran erinnern, daß unsere Eltern Dinge durchaus rühmend er—⸗
wähnten, die uns vorsündflutlich vorkamen, daß sie die Mängel
unserer Jugend empfanden, wo wir uns selbst höchst charmant er⸗
schienen, und so wird es wohl immer so zugehen! —
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Fragmente
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... Es ist mir leid, zu sehen, daß kein selbständig und unab—
hängig dastehender junger Mann mehr die Mühsal und zuweilen
unvermeidliche Langeweile des Lebens durcharbeiten mag, um nachher
Erholung zu suchen, oder eine Befriedigung in der Arbeit selbst
zu finden. Ein paar Monate Fleiß — dann muß man sich auch
schon davon erholen; und die künftigen Lebenspläne werden im
Hinblick auf die größtmöglichen Agrments entworfen. Ich glaube
zwar, daß es auf ein Examen mehr oder weniger nicht so sehr
ankommt, aber der Charakter stählt und entwickelt sich mehr in
der Arbeit, durch Überwindung, als unter den interessanten
Agréments, welche die Eisenbahnen, Hotels und Fauteuils von
Europa darbieten....
. . . Alles geht jetzt darauf hinaus, wohltätige Anstalten,
zur Vervollkommnung der Menschheit einzurichten. Man kann
darüber dasselbe sagen, wie dereinst über Solon oder Lykurg: es
sei unmöglich, weisere Gesetze zu geben; aber wenn sie ausgeführt
würden, blieben keine Menschen mehr, d. h. alle Selbständigkeit
ginge verloren. Nun sind Anstalten ein Notbehelf für Notstände
des Lebens; man muß sie haben zu dem Versuch, manches Elend
zu beseitigen; aber sie müssen auch Übelstände nach sich ziehen. So
möchte ich wissen, ob sich jemand schon einmal die Mühe gegeben
hat, die nicht nur äußerlichen, sittlichen Folgen all der Veran—
staltungen zu beobachten, mit denen man Kinder, womöglich von
der Geburt an, zur Tugend bereiten will, in bezug auf Familienliebe,
Familienleben, Familiensinn. Werden die tagsüber in Anstalten
bewahrten Kinder sehr an Eltern hängen, die sich nicht um sie
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Vom Leben am preußischen Hofe. (31)