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Wahnsinn
der Zeit
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Sanssouei; man hatte davon gesprochen, mich mit einzuladen, was
ich jedoch im voraus, als für meine Trauer unpassend, dekliniert
habe. Das Leben dort, als ob noch alles beim alten wäre, die
unbefangene Heiterkeit des Herrn sind betrübend, wie meine
Schwester schreibt.
Reckahn, 4. September 1848.
Wir sind wieder in unser stilles, einsames Unkennest eingekehrt,
wo nun das Jahr zu Ende geht, das so Schweres, so Großes
über uns verhängt hat, daß das einzelne Leid in dem allgemeinen
untergehen muß, ohne doch dadurch erleichtert zu werden.
Berlin sah nicht öde, nicht tot aus, sondern unruhig und ge—
mein. Ich glaube, daß man jetzt sehr gegen einen Ausbruch ge—
rüstet ist, aber dieser wird natürlich vermieden, denn es ist ja viel
bequemer, gesetzlich im Innern zu wühlen, bis man Könige über—
flüssig und eine ordnungsmäßige Regierung unmöglich gemacht hat.
Wir fuhren von Berlin nach Potsdam mit Prinz Adalbert
und Schreckenstein), was mich sehr interessierte, denn der Mann
hat wirklich ein paar Augen wie der Teufel und eine Physiognomie,
der man zutrauen kann, daß er fähig sei, eine Rolle zu spielen.
11. September 1848.
Ich will den heutigen Tag?) nicht vorübergehen lassen, ohne
einige Zeilen an Euch beide gute, gute Schwestern?) zu richten, da
unsere Gedanken sich oft an einem stillen Punkte, einem Grabe,
begegnen, wenn auch die erneuten Wirren der Zeit Herz und Sinn
wieder in Anspruch nehmen, besonders bei Euch, die Ihr vor den
Toren der Stadt9 weilt, wo der Wahnsinn dieser Zeit vielleicht
wieder einen Akt desselben aufführt.
Man findet kaum einen Tag, an dem man sich ungestört der
eignen Trübsal hingeben kann; die Seele wird zerrissen durch ver⸗
1) Frhr. Ludwig v. Schreckenstein (1789 - 1858), preußischer General
der Kavallerie und kommandierender General des VII. Armeekorps.
) Den Todestag ihres Mannes.
) Die Stiefschwestern ihres Mannes, Clara und Marie Fouqus.
) Berlin.
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