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Full text: Vom Leben am preußischen Hofe / Rochow, Caroline von (Public Domain)

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zuge glich; jede Stadt wetteiferte mit der anderen, und man las 
die sonst langweiligen Beschreibungen von Einzügen und Empfangs 
feierlichkeiten mit dem größten Interesse, weil sich in dem allen 
wahrhafte Vaterlandsliebe kundgdab. Mein Bruder hatte dem 
Konige abgeraten, zur Huldigung den Landtag in Preußen zu 
versammeln, da die konstitutionelle Partei dort diese Gelegenheit 
leicht wahrnehmen könnte, um den König mit Anträgen zu bestürmen, 
die durch den Moment eine Wichtigkeit erhalten mußten, und dem 
Auslande eine falsche Idee von der Stimmung im Lande geben 
würden. 
Der König, das gereizte Verhältnis zwischen dem Oberpräsidenten 
Schön und meinem Bruder kennend, setzte in letzterem ein Vorurteil 
voraus, das er für unbegründet hielt. Alle Nachrichten aus 
Preußen selbst, von meinem Bruder gesammelt, zwangen ihn, den 
Konig nochmals darauf vorzubereiten, daß am Schluß des Land⸗ 
tages die Bitte um Verleihung einer Konstitution ausgesprochen 
werden würde. Der König ließ meinem Bruder am Morgen, als 
die letzte Sitzung gehalten wurde, rufen und eröffnete ihm, daß er 
Herrn v. Schön offen und redlich gefragt habe, ob der Landtag, 
dessen Vorsitzender er war, eine solche Bitte beabsichtige, „und ich 
habe sein Wort, daß davon nicht die Rede ist“, endigte der König. 
— Mein Bruder schwieg; aber drei Stunden später war das 
Gesuch der Versammlung um eine Verfassung in seinen Händen 
und der König war nicht allein durch den Antrag selbst verletzt, 
sondern das Sviel, das Herr v. Schön ihm gegenüber gespielt 
hatte, betrübte und empörte ihn. Er arbeitete noch denselben Abend 
bis 12 Uhr mit meinem Bruder, um sich über die Grundzüge der 
königlichen Antwort klar zu werden. 
Kaum waren zwei Stunden seitdem verflossen, die meinen 
Bruder noch an seinem Schreibtisch fanden, so kam ein Leibjäger 
des Königs, der ihm ein mit Bleistift geschriebenes Papier 
brachte, das der König selbst als „Brouillon zum Landtags- 
abschied“ bezeichnete. Es war eine so schöne, klare und edle 
Antwort, daß beinah kein Wort daran geändert ward; und 
351 
— 
Triumphzug 
) des Königs 
— cc
	        
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