D 6
—8 * ẽ —
—
————
— —
zuge glich; jede Stadt wetteiferte mit der anderen, und man las
die sonst langweiligen Beschreibungen von Einzügen und Empfangs
feierlichkeiten mit dem größten Interesse, weil sich in dem allen
wahrhafte Vaterlandsliebe kundgdab. Mein Bruder hatte dem
Konige abgeraten, zur Huldigung den Landtag in Preußen zu
versammeln, da die konstitutionelle Partei dort diese Gelegenheit
leicht wahrnehmen könnte, um den König mit Anträgen zu bestürmen,
die durch den Moment eine Wichtigkeit erhalten mußten, und dem
Auslande eine falsche Idee von der Stimmung im Lande geben
würden.
Der König, das gereizte Verhältnis zwischen dem Oberpräsidenten
Schön und meinem Bruder kennend, setzte in letzterem ein Vorurteil
voraus, das er für unbegründet hielt. Alle Nachrichten aus
Preußen selbst, von meinem Bruder gesammelt, zwangen ihn, den
Konig nochmals darauf vorzubereiten, daß am Schluß des Land⸗
tages die Bitte um Verleihung einer Konstitution ausgesprochen
werden würde. Der König ließ meinem Bruder am Morgen, als
die letzte Sitzung gehalten wurde, rufen und eröffnete ihm, daß er
Herrn v. Schön offen und redlich gefragt habe, ob der Landtag,
dessen Vorsitzender er war, eine solche Bitte beabsichtige, „und ich
habe sein Wort, daß davon nicht die Rede ist“, endigte der König.
— Mein Bruder schwieg; aber drei Stunden später war das
Gesuch der Versammlung um eine Verfassung in seinen Händen
und der König war nicht allein durch den Antrag selbst verletzt,
sondern das Sviel, das Herr v. Schön ihm gegenüber gespielt
hatte, betrübte und empörte ihn. Er arbeitete noch denselben Abend
bis 12 Uhr mit meinem Bruder, um sich über die Grundzüge der
königlichen Antwort klar zu werden.
Kaum waren zwei Stunden seitdem verflossen, die meinen
Bruder noch an seinem Schreibtisch fanden, so kam ein Leibjäger
des Königs, der ihm ein mit Bleistift geschriebenes Papier
brachte, das der König selbst als „Brouillon zum Landtags-
abschied“ bezeichnete. Es war eine so schöne, klare und edle
Antwort, daß beinah kein Wort daran geändert ward; und
351
—
Triumphzug
) des Königs
— cc