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in dem Koönig ihren Halt und Mittelpunkt. Die Fürstin ist eine
anschmiegende, unselbständige Natur, sie folgt dem Willen anderer,
ohne sich selbst einen Lebensplan entwerfen zu können. So über—
ließ der König es jetzt ganz ihrem Ermessen, wo sie sich für den
ersten Augenblick etablieren wolle, und sie wählte Charlottenburg
Die Königin besuchte sie einige Zeit darauf, fand sie aber so nieder⸗
gebeugt, augenscheinlich die Isolierung in Charlottenburg scheuend,
daß sie ihr vorschlug mit nach Potsdam zu kommen. Die Fürstin
nahm den Gedanken freudig auf, und der König gab sogleich den
Befehl: man solle ihr, wo sie auch zu wohnen wünsche, die Zimmer
einräumen, die sie mit seinem Vater sonst bewohnt habe.
Als jedoch ihr Bruder Graf Harrach) eintraf, wollte sie ihn
ungestört sehen; in Potsdam konnte das nicht geschehen; früher
hatte man ihr Schönhausen offeriert, so bestimmte sie sich, dorthin
zu ziehen. Nun wohnt sie ganz entfernt von der königlichen Familie,
was keinen guten Eindruck macht, umsomehr, als sie sich schon durch
unwesentliche Bedenken abhalten ließ, der Leiche des Königs nach⸗
zufolgen. Der eine sagte ihr, es werde sie zu sehr angreifen,
andere, es sei nicht Sitte, daß Witwen folgen. Hätte sie einen
Wunsch ausgesprochen, so wäre gewiß der jetzige König der erste
gewesen, ihr den gebührenden Platz einzuräumen, doch sie wußte
nicht, was sie tun sollte und die alte Gräfin Reede mag Rang-
schwierigkeiten gefunden haben.
I—
Trauer⸗
Cour
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8. Juli 1840.
Am 3. Juli hat die Konigin hier ihre Trauercour nach alter
Sitte gehalten. Sie saß im halbdunklen Zimmer mit Kreppschleiern
vor dem Gesicht. Alle Herren der Gesellschaft in tiefer Trauer,
die Damen verschleiert, zogen, sich stumm verbeugend, wie Schatten
an ihr vorüber. Diese Zeremonie, die weder zu der Zeit noch zu
den Persönlichkeiten paßt, hat keinen ergreifenden, sondern einen
halb graulichen, halb komischen Eindruck gemacht. Ich wollte, man
9 Karl Philipp Graf v. Harrach (1795— 1878), osterreichischer Haupt—
mann und Gutsbesitzer in Preußisch⸗Schlesien.
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