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Full text: Vom Leben am preußischen Hofe / Rochow, Caroline von (Public Domain)

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Mein Bruder nahm diesen Augenblick wahr, dem Kronprinzen 
den mit Menschen gefüllten Platz zu zeigen, „und alle diese Menschen“, 
sagte er, „warten mit Schmerzen auf Nachrichten von ihrem kranken 
Konig; indessen kein ungeduldiger Laut, kein ungestümes Drängen 
nach dem Palais verrät diesen Wunsch, sie stehen bereits so seit 
Stunden und man hört kein lautes Wort. Einer solchen Teilnahme 
gehört eine bestimmte Nachricht. Es müßten morgens und abends 
Bulletins ausgegeben werden.“ Der Kronprinz stimmte mit dieser 
Ansicht überein, und mein Bruder ging zu den Ärzten, um sie zu 
bitten, einen Gesundheitsbericht aufzuschreiben. — Der Dr. Schön⸗ 
lein sollte ihn verfassen, doch als ihn mein Bruder las, sah er, 
daß der fremde Arzt nur Neugierde, nicht Teilnahme in den vor 
dem Palais Versammelten sah, so oberflächlich und leicht lautete 
dieses Bulletin in einem Augenblick, wo das Volk für das Leben 
seines Königs zitterte. Nur mit Mühe vermochten mein Bruder 
und der Fürst Wittgenstein ihn dazu, die Gefahr, in der der 
König schwebte, nicht zu verheimlichen; er meinte, das Volk wisse 
genug, wenn man sage, der König sei krank. Von diesem Tage 
an wurden morgens und abends Bulletins ausgegeben, und während 
dieser letzten fünf Tage ist der Platz nicht mehr leer geworden von 
der teilnehmenden Menge. Man sah sich wie eine Familie an, 
und alles was im Palais vorfiel erzählte einer dem andern; es 
war ein menschlich⸗warmes Interesse, das wirklich Hoch und Niedrig 
vereinigte, und das Leben hier gab nicht das Bild eines servilen, 
sondern eines Familien-Verhältnisses. 
Mein Bruder blieb mit dem Fürsten Wittgenstein und Grafen 
Lottum im Vortragszimmer, wohin der Kronprinz ab und zu kam. 
Dieser glaubte, man könne sich jetzt ohne Furcht vom Palais 
entfernen. Da nahm der Fürst Wittgenstein das Wort und 
wendete sich an den Kronprinzen: „Er benutze einen ruhigeren Augen⸗ 
blick,“ begann er, „in dem das Herz des Sohnes weniger litte, 
um die Pflicht eines alten Dieners seines Vaters zu erfüllen: 
Der Abend schon kann eine große Anderung in Ihrem Leben 
bringen, mein gnädigster Herr!“ fuhr er fort, „und Sie zu Be—⸗ 
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