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Am 22. Mai war die gewöhnliche große Parade,) womit das 
Frühlingsmanbver begann. Gleich nach derfelben sollte General 
v. Rauch? nach Warschau der Kaiserin entgegenreisen, die auf die 
Nachricht von der Krankheit des Vaters ihre schon vorher bestimmte 
Ankunft beschleunigte. Der König selbst wünschte, daß sie, ehe 
sie herkäme, von seinem Zustande unterrichtet würde. Um 11 Uhr 
fand die Parade statt. Es war ein trüber Tag, der Regen fiel 
in Strömen herunter, trotzdem war der Platz vor dem Palais ge— 
drängt voller Zuschauer, aber alle hatten sich so gestellt, um die 
Fenster des Königs zu sehen, in der überzeugung, er werde den 
Vorbeimarsch seiner Truppen noch einmal, wohl zum letzten Male, 
mitansehen wollen. 
So war es denn auch. — Wie der Geist einer reichen Ver⸗ 
gangenheit blickte der kranke König von seinem Fenster aus auf die 
Armee, mit der er Preußens Ruhm aufrecht gehalten hatte. Er 
sah sie nur noch vorüberziehen. Sein Nachfolger befehligte sie 
schon. Der Kronprinz hielt an dem Platz, wo der König seit so 
vielen Jahren seine Truppen an sich vorüberziehen sah und seine 
Befehle erteilte. Die Adjutanten des Kronprinzen überbrachten 
sie heute den Generalen, während die des Königs müßige Zuschauer 
blieben. Der kranke Monarch sehnte sich wohl nach dem Anblicke 
seiner Truppen, und doch fühlte er sich so krank, daß er einem seiner 
Adjutanten, Herrn v. Brauchitsch, sagte: „Bleiben Sie bei meinem 
Stuhle stehen, ich kann nicht wissen, was mir begegnet!“ Man 
sah ihn, den sonst so rüstigen Mann, an dem Fenster seines blauen 
Schreibzimmers sitzen, und das bleiche Antlitz sagte seinem Volke, 
wie nah ihm der Tod stand. Es war von diesem Tage an bis 
in alle Volksschichten hinunter nur ein Interesse — die Krankheit 
dieses Königs — fühlbar. Mit Blitzesschnelligkeit verbreitete sich 
die Nachricht, der König habe eine tiefe Ohnmacht nach der Parade 
—— 
Letzte 
Parade 
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5 Schon zu Zeiten Friedrichs des Großen fand vom 21.-23. Mai 
die große Revue statt. 
2) G. v. Rauch, General der Infanterie, General⸗Inspekteur der Festungen 
und Chef der Ingenieure und Pioniere.