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Einleitung
den Altkonservativen die Wünsche auf Einberufung der 1815 ver⸗
sprochenen Reichsstände, die sich immer dringender kundgaben und
bei der Huldigung in Königsberg einen Ausdruck fanden, der auch
des Königs Anwillen erregte. König Friedrich Wilhelm IV. wollte
keine moderne Konstitution gewähren, dachte aber doch daran, eine
reichsständische Versammlung nach seinem Sinne einzuberufen.
Eine Denkschrift, die Rochow darüber einreichte, stellte die damit
verbundenen Gefahren vor und wies auf eine zweckmäßige Ausge⸗
staltung der vorhandenen Landtage hin. Thiele, Eichhorn und
Stolberg schlossen sich dieser Meinung an, so daß der König von
seiner Idee Abstand nahm.
Rochow geriet dadurch bald in einen Kampf mit der in der
Provinz Preußen vorzugsweise mächtigen liberalen Partei, und
sein Gegensatz zum Oberpräsidenten v. Schön gewann mehr und
mehr einen persönlich-feindseligen Charakter, der sich in einem von
beiden Seiten unterstützten Zeitungskampf zu einem Grade steigerte,
wie er zwischen zwei hohen Staatsbeamten auf die Dauer unmöglich
bestehen konnte. Schön und seine Anhänger glaubten den König
ihren Wünschen geneigt; die Auszeichnungen, die jenem besonders
durch Verleihung des Schwarzen Adlerordens erwiesen wurden, be—
stärkten sie darin, so daß sie in Rochows reaktionärem Einfluß das
Hindernis der Erfüllung ihrer Hoffnungen erblickten. —
Rochow zeigte sich im persönlichen Verkehr milde und zugänglich,
auch Andersgesinnten gegenüber. Mit liebenswürdiger Gewandtheit
verstand er es bei Gelegenheit, den Erzbischof Droste oder die
polnischen Edelleute, bei der Huldigung in Berlin die Vertreter
der Städte zu gewinnen. Königin Elisabeth sagte ihm einmal (im
August 1840): „er sei der einzige, der dem Könige widersprechen
könne, ohne ihn zu erbittern.“
Seine konservativen Grundsätze mäßigten sich im Laufe der
Zeit; es lebte doch in ihm das Bestreben, das unverkennbare Drängen
der Nation auf Teilnahme an der Regierung allmählich in geord⸗
neter Weise zu entwickeln. So erregte er die Mißbilligung der
konservativen Partei, als er ganz nach den Wünschen des Provinzial⸗
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