Path:

Full text: Vom Leben am preußischen Hofe / Rochow, Caroline von (Public Domain)

7 
—2 
* 
4 
Geburtstag 
des Kron⸗ 
prinzen — 
3 
A —A — * 
———— 7 
— 
Die ganze Familie war zum Frühstück versammelt, außer dem 
Konige, der seine Kinder erst in Paretz erwartete. Das rührende 
Verhältnis des kronprinzlichen Paares zeigt sich an solchen Tagen 
mit verdoppelter Innigkeit und übt auch auf die Umgebung einen 
Einfluß; ihre lebendige Wärme weiß das, was sonst bloße Höf— 
lichkeitsbezeigung ist, zu einem schönen Familienfest zu gestalten. 
Alle Anwesenden aber berührte der Gedanke, daß der Kronprinz 
zum letztenmal seinen Geburtstag als solcher durchlebte. 
Die Gesundheit des Königs nimmt ab, und leider macht sich 
die Veränderung seines Wesens auch in allen Anordnungen be— 
merkbar. Nur der Moment übt noch sein Recht aus. Was er 
nicht gebieterisch fordert, geht unbeachtet vorüber. Die Rückwirkung 
davon auf die Umgebungen, ja auf die Richtung der Ereignisse 
kann nicht ausbleiben. Alt und schwach sind die Gefährten des 
Regenten und damit ist der Intrige Tür und Tor geöffnet. 
Derjenige, der in der Umgebung die meiste Macht besitzt, 
verdankt sie der heimlichen Art und Weise, mit der er, ohne immer 
die äußere Verantwortung auf sich nehmen zu wollen, auf alle 
Verhältnisse einwirkt. Das Gute, das Fürst Wittgenstein schafft, 
sein Verdienst um den Staat, ist nicht zu verkennen. Indessen, er 
muß dem Könige bequem bleiben, um sich seine Stelle als Ver⸗ 
mittler, ja als einziger Zugang zu ihm bewahren. Einen kräftigen 
Charakter besaß er nie, und so kann man leicht ermessen, daß er 
Verhältnisse und Menschen in das Licht stellt, wie er es braucht. 
Was in die Zukunft des Staates eingreift, wird beiseite geschoben, 
die Gegenwart so leicht wie möglich gemacht. 
Den Kronprinzen versteht der Fürst nicht; er blickt mit Mißtrauen 
auf ihn und greift seine offen daliegenden Schwächen geschickt auf. 
Dies hat leider die Folge, daß der Kronprinz den Geschäften fern 
gehalten wird. Sein schönes Gemüt wird dadurch verbittert und 
ein Hang zur Antätigkeit in ihm gefördert. 
Wohl bei allen alten Regierungen tritt dieser Fall ein, aber 
es ist ein trauriger Augenblick, den man erlebt. 
278
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.