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Thron ständen, nie ansprechend gewesen. Auch seine viel gelesenen
und verbreiteten Traktätchen erschienen mir wie eine über das Evan—
gelium gegossene lauwarme Wortbrühe.
Indessen hatte Goßner eine Zeitlang großen Zulauf; seine kräftige
Tätigkeit erhielt ihn auch bis an sein Ende, in hohem Alter, an
der Spitze mancher wohltätigen Unternehmungen, denen er mit großer
Liebe und Anerkennung vorstand; so vorzugsweise dem Missions-
wesen; wahrscheinlich hat er die Gründung der Missionsgesellschaft
in Berlin zuerst veranlaßt.)
Vorher gab es zwar einen Verein zur Bekehrung der Juden,
an der sich besonders der General v. Witzleben)), damals vor⸗
tragender Adjutant des Königs, beteiligte; es scheint aber nicht,
daß sie viel Fortgang und Erfolg hatte. Die Juden in einer
großen Hauptstadt, von Geldverkehr und Gewinn meist zu sehr
absorbiert, bewahren wohl nur in seltenen Fällen soviel Innerlichkeit,
um echte Juden zu bleiben; diejenigen aber, deren unleugbare
Geistesgaben zu hoher Bildung gereift sind, glauben sich in ihrem
Weltbürgertum über solche Bekehrung erhaben.
Die Missionstätigkeit verfiel bisweilen auf sonderbare Ein—
fälle. Manche Damen nähten Gingham-Blusen für die Kaffern.
Ob sie wohl daran dachten, wie kurze Zeit die Kaffernweiber dadurch
nur bedeckt würden, und ob dann zu einer Nachahmung der Stoff
und die Lust vorhanden sein möchten? Um jene Zeit fing auch
die Bibelgesellschaft, von Enaland ausgehend, an, sich zu verbreiten;
und so finden sich in dem damaligen Leben die Keime aller kirchlichen
Regsamkeit der Neuzeit.
Im Jahre 1826 machten mein Mann und ich die nähere Be—
kanntschaft des Ministers v. Stein. Ich selbst war schon früher
mit seiner Familie zusammengetroffen und der ältesten Tochter,
spreren Gräfin v. Giech, befreundet; hatte sie auch in Nassau
esucht.
) Sie wurde schon 1823 begründet, also noch bevor Goßner zur evan ⸗
gelischen Kirche übertrat.
2) Vgl. o. S. 97, Anm. 1.
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Juden und
Seiden ·
Misfion —
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