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Einzug
in Berlin
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Alle Stände, Korporationen, hoch und niedrig, wetteiferten
darin, ihre Teilnahme und Freude über die ersehnte Ankunft der
künftigen Landesmutter zu bezeigen. Die kostbarsten Anstalten zum
Empfang an Ehrenpforten, Begleitungen, Ausschmückungen, Depu⸗
tationen, Illuminationen, Feuerwerken, hörten von Zeitz bis Berlin
nicht auf, reihten sich aneinander, von der ersten Begleitung der
Altenburger Bauern in ihrer Landestracht, auf den schönsten Pferden,
bis auf die großartigste Entfaltung aller, bis dahin fast schlafen
gegangenen Gewerkey) mit ihren Emblemen, geführt von der vor⸗
nehmen Kaufmannschaft auf den besten englischen Pferden, —
der erste damalige Bankier Schickler, ein Anglomane und vortreff
licher Reiter, an der Spitze — welche die Prinzessin in die Tore
ihrer künftigen Hauptstadt einführten.
Leider fehlte es auch nicht an den ominösen Anglücksfällen,
die so oft ähnliche Freudenbezeugungen begleiten. Bei der schönsten,
großartigsten Illumination war es „ein Mißverständnis“, das die
von dem Zuge zuerst eröffnete Schloßbrücke wieder schloß, so daß auf
der noch bestehenden Notbrücke das Gedränge mehrere Menschen⸗
leben zum Opfer forderte. Man strebte natürlich danach, dies der
Prinzeß zu verbergen, um nicht eine Erinnerung an unglückliche
Vorgängerinnen hervorzurufen. Man könnte es auch vielleicht als
Vorbedeutung auffassen, denn vieles, in mancherlei Gestalt hat sie
in dem Schicksal ihres neuen Vaterlandes, ihrer neuen Familie durch⸗
zuleben gehabt, wenn auch bis jetzt (ich schreibe 1854) noch nicht
das Schlimmste geschehen, aber auch das Ende noch nicht erreicht ist.
Zuerst fragte man sich: in welcher Gemütsstimmung kann diese
junge Prinzeß, nach dem Losreißen aus einem geliebten und glück⸗
lichen Familienkreise, ihren Jugendverhältnissen, in denen, wie man
hörte, sie sich einfach und ungeniert in Umgang und Freundschaft
bewegt hatte, geängstigt über ihren konfessionellen Standpunkt, durch
sparnisse sind mehr für die Zukunft als für die Gegenwart gedacht; auch
hat Kircheisen (Friedrich Leopold v. Kircheisen [1749-1825], 1810 - 1825
preußischer Justizminister) keinen Substitut.
y Vgl. hierzu Marwitz, a. a. O. J, S. 110.