Die Bautätigkeit.
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Aber die Künstler solcher schönen Werke sind
dann, je weiter sie sich vom Ursprung der Tra-
dition entfernten, mehr und mehr auch der
Theorie verfallen. Oder sie haben ihren Nach-
folgern doch nicht das Geheimnis ihres still
sinnlichen, musikalischen Gefühls und die Vor-
teile ihrer Traditionsnähe vererben können. Der
Eklektizismus von 1820 schon ist ein anderer
als der von 1790; der Baucharakter des Bran-
denburger Tores ist ein anderer als der des
Neuen Museums. Innerhalb des klassizistischen
Epigonentums selbst spielt sich eine Entwick-
lung ab, dergestalt, daß Schinkel in manchem
Werk dem Stil der Langhans und Gentz gegen-
über fast dekadent erscheint.
Aber diese Entartung des Eklektizismus zum
Verstandesmäßigen, Bildungshaften gerade hat
dem Berliner Geiste zugesagt. Schinkel, der
Vertreter, das Genie dieser nachgeborenen Ar-
chitekturidee, ist der populärste und einfluß-
reichste aller Berliner Architekten geworden.
Sein Wollen hat so starke Resonanz in der Ko-
lonialstadt Berlin gefunden, daß sich im neun-
zehnten Jahrhundert dann sogar das Unglaub-
liche begibt: Berlin beginnt einen gewissen Ein-
fluß auf die Bauweise der Provinz zu üben. Es
findet den ihm ganz zusagenden Stil erst in einer
Kunstidee, die man akademisch bewältigen kann,
in einer „objektiven‘ Bauidee, die ein Gebäude
griechisch, das andere gotisch oder in sonst