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Die Stadtanlage.
nicht folgt, weil sich nicht von alters her
Uferstraßen an ihm entlang ziehen. Kanal-
artig fließt die Spree durch die Riesenstadt,
von Schiffen kaum belebt; die Bewohner bringen
dem Flusse darum auch Zärtlichkeit nicht ent-
gegen, wie es doch in Paris und Wien, in Ham-
burg und Frankfurt am Main der Fall ist, In
Paris sagt man von einem Stadtteil, einer Straße,
einem Hause, sie lägen rechts oder links von der
Seine; in Berlin wird der Fluß in diesem Sinne
aber niemals zu einem Grenz- und Orientierungs-
begriff. Er verbindet nicht, er trennt nicht; er
ist einfach ein Wasserlauf, über den man sich
Gedanken nicht macht. Nur an einer Stelle, zwi-
schen Mühlendamm und Janowitzbrücke öffnet
er landschaftlich ein wenig die Stadt. Es ist be-
zeichnend, daß er heute noch gerade an der Stelle
seine feinsten Reize entfaltet, wo er die ersten
Ansiedler zur Niederlassung lockte. Nur in der
Gegend des Mühlendamms hat die Spree noch
ein wenig Alt-Köllner Stimmung. An diesem
Ort stehen die ältesten Häuser, die Fischkasten
und Netzstangen erinnern unmittelbar noch an
die Beschäftigung der ersten Bürger, und das
Auge kann freier den Raum empfinden als
anderswo.
Denn dieses eben ist der größte Nachteil der
Stadtanlage: daß man nirgend eigentlich Distanz
nehmen kann. Es fehlt Berlin die Stadtland-
schaft. Überall ist man mitten drin in den Häu-