Der Stadtgeist.
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und fürstlichen Städtebaues geschaffene Kolo-
nialstadt.
Aus dieser geistigen Disposition bei Volk und
Fürsten und aus solchen Entwicklungsschick-
salen ist es zu erklären, daß Berlin ein frucht-
barer Boden für religiöse Ideen niemals gewesen
ist. Der nüchterne Utilitarismus hat in allen
Jahrhunderten eine entschiedene religiöse In-
differenz im Gefolge gehabt, selbst in Zeiten
wo im übrigen Deutschland fanatisch um
Gottesideen gekämpft wurde. Der niemals er-
mattende Kampf um die persönliche und kom-
munale Notdurft ließ nicht Zeit zur Sorge für
übersinnliche Gedanken. Berlin hat sich auch
insofern recht als eine Kolonialstadt erwiesen,
als darin Jedermann in seiner Fasson hat selig
werden können. Was die Stadt immer wie-
der brauchte, das waren tüchtige, praktische
Arbeiter, Desperados kolonialer Eroberertätig-
keit und Menschen mit nüchtern zäher Pio-
niergesinnung. Um das Verhältnis der als An-
siedler in die Stadt kommenden Fremden zur
Kirche sich viel zu kümmern, wäre unpolitisch
gewesen; es hätte den Bestand des Gemein-
wesens in Frage gestellt. Im Gegenteil: die ver-
schiedengläubigen Ansiedler konnten nur ange-
lockt und festgehalten werden, weil Berlin von
früh auf schon als eine Art von religiöser Freistatt