Gründerarchitektur.
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einem Punkte, um die Beispiele in geschlossener
Reihe vor Augen zu haben.
Auf diesem Wege ist Berlin wieder physiogno-
mielos geworden. Wie ausgelöscht sind die in-
dividuellen Züge aus dem Anfange des neun-
zehnten Jahrhunderts. Nichts ist geblieben
als der Trakt der „Linden‘‘ bis zum Schlosse,
mit den historischen Gebäuden, als die offi-
zielle Wilhelmstraße und die stille, vergessen
daliegende Klosterstraße, nichts als ein paar zu-
fällig wirkende schöne alte Häuser und einige
alte Plätze. Eintönig zieht sich das unend-
liche Vielerlei straßauf und straßab. Und um
diese reich ornamentierte Nüchternheit auch
nach außen recht deutlich zum Ausdruck zu
bringen, sind den neuen Straßen und Plätzen
dann die denkbar langweiligsten und nichts-
sagendsten Namen gegeben worden. In alten
deutschen Städten pflegen die Straßennamen voll
epischer Kraft zu sein; denn die Geschichte der
Städte und ihrer Bevölkerung ist darin nieder-
gelegt, die Musik und Melodie des natürlichen
Werdens. Die Straßennamen in Berlin aber sind
nicht historisch geworden, sondern schulmäßig
ausgedacht; auch sie sind künstlich und darum
häßlich. Nur im innersten Stadtkern gibt es
noch ein paar Benennungen, die an die ursprüng-
liche Bedeutung der Orte erinnern. In den neuen
Stadtteilen aber herrscht durchweg das Prinzip,
mit dem Wort Straße irgendwelche Namen
3 Scheffler, Berlin.