Gründerarchitektur.
I91
tal geworden, durch seine Unmäßigkeit; * Es be-
dürfte eines Rabelais, um diesen notgeborenen
Pseudoidealismus würdig zu schildern. Und
doch mußte diese Architektur kommen in einer
Stadt, deren Bevölkerung dumpf und stumpf,
aber mit wilder Lebensgier aus dem östlichen
Flachland herbeiströmte, angezogen von den
Verheißungen des Amerikanismus. Selbst in
diesen Architekturgreueln hat die Berliner Be-
völkerung bewiesen, wie großer Arbeitsenergie
sie fähig ist, welche Summen von Kraft, Tätig-
keit und niederer Intelligenz sie aufzubringen
imstande ist. Denn so entsetzlich die Leistung
ästhetisch und ethisch betrachtet ist, so stau-
nenswert ist die rein materielle Leistung. Die
Bewältigung der Quantität, der Aufbau einer
Millionenstadt in wenigen Jahrzehnten: das hat
in gewisser Weise etwas Grandioses. Eine
Kraft wie diese, die ohne jeden Gewissens-
biß über ihre zum Himmel schreienden Kul-
turuntaten Solche Arbeitsmenge bewältigen
konnte, mußte wohl in einer Zeit wirtschaft-
licher Wiedergeburt über das traditionenmüde
Deutschland siegen. Aus einer harten Logik
der Geschichte heraus mußte Berlin auch in
der Bautätigkeit die Führung übernehmen und
seinerseits nun dem ganzen Reich den Em-
porkömmlingsstil diktieren. Darum ist die
Stadt der tausend Stile zur Metropole der neu-
deutschen. Architektur- geworden.. Es konnten