Stadtkultur.
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tion. Aus der Kolonialsiedelung war eine preußi-
sche Hauptstadt, halb Fürsten- und Garnison-
und halb Bürgerstadt geworden. Eine östliche
Neustadt, die sich über ihr schnelles Wachsen,
über ihre zunehmende politisch wirtschaftliche
Macht und über ihre pseudogriechische Kultur
selbst vielleicht am meisten verwunderte. Die
Bevölkerung empfand die Jahrzehnte vor 1866,
den kurzen Zustand der Saturiertheit und einer
gewissen residenzlich provinzlichen Großstadt-
kultur vielleicht gar als einen unfreiwilligen
Aufenthalt. Denn alles Saturierte war und ist
dem Wesen des Berliners fremd. Darum fühlte er
sich in dieser Zeit einer relativen Stadtkultur
seiner eigentlichen Bestimmung entzogen. So
kommt es, daß man die Künstlichkeit dieser
Stadtkultur doppelt immer fühlt, daß man
nicht recht ein Herz in diesem Organismus Berlin
schlagen hört. Man wird gezwungen wahrzuneh-
men, wie alles Einzelne Resultat der Ordnung,
der Disziplin, der Tendenz ist, nicht der schöpfe-
rischen Kraft. Aber daüber hinweg ist doch
endlich nun überhaupt ein Resultat da, woran
man sich halten kann. Der Wanderer durch
die Geschichte Berlins gelangt endlich dazu,
nach all dem Unerquicklichen aufzuatmen und
auszuruhen. Ganz leise schleicht sich von
fern ein verlorenes Heimatsgefühl herbei.
Aber ehe es im Herzen noch seinen Platz zu
suchen vermag, ehe man sich zum liebevollen