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Entwicklungsschicksale

Full text: Berlin / Scheffler, Karl (Public Domain)

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Die Gesellschaft. 
müssen. Dieser subalterne Dünkel, der sich 
auf sehr wesentliche Tugenden stützen konnte, 
hat sich der gesellschaftlichen Kultur durchaus 
feindlich erwiesen. Die Furcht, sich etwas zu 
vergeben, hat eine ängstliche Rangordnung ge- 
schaffen; und ein weitverzweigtes Titelwesen 
ist die natürliche Folge gewesen. Da die armen 
Fürsten ihre Beamten nicht wohlhabend machen 
konnten, so bezahlten sie sie mit sozialem An- 
sehen; und da sie ihre Beamten mit Vorliebe aus 
dem Soldatenstande nahmen, so kam mit der 
Zeit in diesem ganzen Stande eine Gesinnung 
zur Herrschaft, die nicht nur unempfindlich 
machte für bürgerliche Gesellschaftkultur, son- 
dern die den Versuch dazu mit falschem Selbst- 
gefühl sogar ablehnte. 
Den schaffenden Bürger nahm weder der 
Adelige noch der Beamte für einen Gleichberech- 
tigten. Es konnte sich dieser Bürger dann aber 
soziales Ansehen auch nicht erzwingen, weil er 
in Berlin zu keiner Zeit große Macht zu ent- 
wickeln vermocht hat. Wie er die alte Kolonial- 
stadt nicht zu einer einheitlich schönen Bürger- 
stadt zu machen gewußt hat, so hat er sich selbst 
auch nicht gesellschaftlich organisieren können. 
Die Bürgerschaft hat sich von vornherein immer 
gespalten in Landsmannschaften und in Inter- 
essenkreise; aber sie hat sich nie Gelegenheiten 
geschaffen, Familientraditionen zu bilden und 
weiterzugeben, Berlin war nie eine ausgespro-
	        
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