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Die Künste.
flusses; wo der Pionier hinter beamtenhaft reprä-
sentativen Fassaden wohnt und trocken Brot
ißt.
Der aus der Stadtgeschichte sich ergebende
Mangel an Stadtbewußtsein ist Ursache ge-
worden, daß der Deutsche seine. Reichshaupt-
stadt und ihre Atmosphäre nicht aus den Wer-
ken der Poeten schon kennen lernt. Es gibt
kein wertvolles Werk in unserer Literatur, das
im geistigen Milieu Berlins wurzelte, weil sich
niemals das ganze Volk in der Stadtkultur dieser
Hauptstadt hat spiegeln können. Dieser Wohnort
einer immer wieder. aufgewühlten Mischbevölke-
rung hat nicht nur große Dichter nicht hervorge-
bracht, sondern nicht einmal die im Reiche
wirkenden zu sich hinziehen können. Kam ein-
mal einer der Poeten, deren Namen die Nation
mit Ehrfurcht nennt, nach Berlin, so hat er
immer den Tag gesegnet, wo er diese den gro-
Ben Menschheitsideen feindselig gesinnte Stadt
wieder verlassen durfte. Darum hat die jetzige
Reichshauptstadt auf keinen der bedeutenden
Nationaldichter determinierend gewirkt.
Blickt man nach Frankreich und England
oder auch nach Österreich, so sehen wir den
Dichter unhemmbar zur Hauptstadt hingezo-
gen. Die epische Prosakunst vor allem wurzelt
unlöslich immer im. Boden der Hauptstädte;