Die Künste.
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Akademiker. Zugleich aber sind sie immer
auch Naturalisten, spezifisch berlinische ’Natu-
ralisten. Nirgend sonstwo findet man diese
merkwürdige intellektuelle Verquickung von
Hellenismus und profanem Realismus. Die
Form antiker Gewandfalten muß ihnen dienen,
um preußische Militärmäntel und Uniformhosen
chythmisch zu gliedern; den Königen und Feld-
herren wird in ihren Denkmalsbildern ein rea-
listisch klassizistisches Kleid angezogen und die
antike Reliefkunst muß modernen Schlachtdar-
stellungen zu künstlerischer Wirkung verhelfen.
Stilform und Naturform werden in feiner, fast
in zierlicher Weise zu etwas Neuem; aber den-
noch wachsen Kunstform und Wirklichkeitsan-
schauung nicht eigentlich organisch auseinander
hervor. Der Klassizismus ist nicht ursprüng-
lich erlebt, wie beispielsweise von den Renais-
sancemeistern; und der Naturalismus ist nicht
visionär beschwingt. Wir sehen in Schadow
und Rauch zwei Meister vor uns stehen; aber
sie sind Meister einer Bildhauerkunst aus zweiter
Hand.
Rauch bleibt tief immer in der sekundären
Stilidee stecken; Schadow hingegen befreit sich
in gewissen Momenten und ringt sich zu grö-
ßerer Ursprünglichkeit durch. Vor allem als
Zeichner. In diesen Fällen leitet er dann, als
ein Nachfolger Chodowieckis, die eigentliche ber-
linische Bürgerkunst des neunzehnten Jahr-
7 Scheffler, Berlin.