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Die Positiv-Retusche,
Zweck des Unterrichts, das künstlerische Empfinden des Schü-
lers auszubilden, zu gefährden, lassen wir vorerst das Negativ
nur so weit retuschieren, daß der Charakter der Haut noch voll-
ständig erhalten bleibt, was ja, besonders bei Damenbildnissen,
nicht immer vom Publikum gewünscht wird. Von diesem Nega-
tiv, für dessen Bearbeitung auch, eine möglichst kurz bemessene
Zeit zur Verfügung gestellt wurde, wird wiederum eine fertig
getonte Kopie hergestellt. Nun erst wird mit dem so beliebten
„Glattmachen‘‘ begonnen, wobei, wenn man gerade an der
Grenze der Erhaltung der Formen des Originals angelangt ist,
wiederum ein Abzug angefertigt wird. Setzt man jetzt die
Retusche fort, indem man sein künstlerisches Empfinden zum
Opfer bringt und nur an die von Eitelkeit und rohem Ge-
schmack diktierten Wünsche des Durchschnittspublikums
denkt, gelangt man zu einem vierten Bilde, welches mit den
drei ersten nebeneinander aufgeklebt eine für den Anschauungs-
unterricht überaus wertvolle Vorlage ergibt. Von verständiger
Hand geleitet, kann der Schüler nicht allein an seiner eignen
Arbeit den Gang des Verfahrens erkennen, sondern sein Auge
wird auch für das. Beobachten und Verstehen der Form in
solcher Weise geschärft,;, daß er eine jede Verletzung der Form
als verwerfliche Mache empfindet.
Die Retusche auf Platinpapier.
Sie ist im wesentlichen dieselbe wie auf Salzpapier und
erlaubt eine gleich zarte Ausführung. — Da das Platinpapier
oft eine größere Rauhheit der Bildfläche zeigt, so hat es zur
Behandlung mit Bleistift und Kreide geradezu herausgefordert,
doch ist beides unbedingt zu verwerfen, da der Bleistift seines
eigentümlichen Glanzes wegen, der dem Platinpapier immer
fremd gegenüberstehen wird, und die Kreide ihrer Grobkörnig-
keit wegen, die sich kaum mit dem Korn des Platinpapieres
verträgt, nicht die entsprechende Zartheit der Ausführung zu-
lassen. Man erreicht das Richtige durch Behandlung mit der