Die Aufgabe der Retusche.
Buch beiden Interessen dienen will, haben wir hierbei obigen
Unterschied im Auge behalten. Der Fachphotograph übt die
Photographie nicht zu seiner eigenen Befriedigung aus, sondern
er hat in erster Linie den Abnehmer seiner Bilder, das Publi-
kum, und vornehmlich den Geschmack des größeren Teiles
desselben, zu berücksichtigen. Wie dieser Geschmack aber be-
Schaffen ist, weiß jeder Fachmann zur Genüge, denn es ist
leider nicht zu leugnen, daß dem größeren Teile des Publi-
kums es weniger darauf ankommt, ein naturwahres Bild seines
eigenen Ichs zu erhalten, als seinen Bekannten und guten
Freunden ein, wie man sich oft zartsinnig ausdrückt, mög-
lichst „geschmeicheltes‘“‘ Bild vorzeigen zu können. Wie oft
muß also der Fachphotograph, im Widerstreite mit seinem
Dersönlichen künstlerischen Empfinden und dem Geschmacke
des Publikums, die goldene Mittelstraße suchen, um im Kampfe
mit widerstrebenden Materialien und handwerksmäßigem
Schaffen, mit Unwissenheit und Geschmacklosigkeit, mit der
Gewinnsucht, die dem unnatürlichen Geschmack und der
brutalsten Eitelkeit Zugeständnisse macht, soviel als möglich
von dem zu retten, was er als das erstrebenswerte Ziel seiner
Kunst erkannt hat.
Demgegenüber ist die Freiheit des Amateurphotographen
eine beneidenswerte. Er kann seinem persönlichen Empfinden,
Ohne Rücksicht auf das Urteil anderer, nachgehen, und es ist
daher nicht wunderbar, daß auf Ausstellungen die Produkte
der Amateurphotographie, in rein künstlerischer Beziehung,
denen der Fachphotographie sich oft überlegen zeigen.
Um so höher ist es aber anzuerkennen, wenn in der letzten
Zeit und von Jahr zu Jahr in verstärktem Maße Fachphoto-
graphen den Fehdehandschuh aufgenommen haben und, ihrer
Eigenart folgend, Bilder an die Öffentlichkeit bringen, die den
Bildern bekannter Amateurphotographen nicht allein nicht mehr
Nachstehen, sondern sie an künstlerischem Werte übertreffen.
Aus dem Gesagten ergibt sich nun von selbst die Grenze,
bis zu welcher mit einer „Verbesserung durch Retusche‘‘ ge-