[20 Das Zeichnen als Hilfsmittel zur Retusche.
schon in den beiden ersten Kapiteln darauf aufmerksam ge-
macht, daß den photographischen Bildern Fehler anhaften,
welche der Retuscheur zu beseitigen hat, was um so befriedigen-
der und naturwahrer geschehen wird, je geschulter das Auge
des diese Arbeit Ausführenden ist. Wie gelangen wir nun am
schnellsten und sichersten zu einer solchen Schulung des Auges?
Die Methode des Zeichenunterrichts hat in neuerer Zeit ge-
wechselt, indem man, im Gegensatz zu früher, das Zeichnen
nach Vorlagen, am liebsten auch das Zeichnen nach einfachen
Gipsformen, vermeidet und sich Naturobjekten zuwendet,
wobei sogar den jüngsten Schülern der Aquarellpinsel in die
Hand gedrückt wird, um nicht allein das Gefühl für die Form,
sondern für die Farbenunterschiede der Natur zu wecken. So
wünschenswert nun die Erreichung letztgenannten Zieles für
den allgemeinen Zeichenunterricht in den Schulen ist, so wenig
würde eine derartige Unterrichtsmethode dem Zwecke eines
Retuscheunterrichts entsprechen, denn dem Retuscheur liegt
ein Abbild der Natur schon mehr oder weniger fertig vor; er
braucht nicht erst das Körperliche in die Fläche bildlich zu
übertragen, ebensowenig wie von ihm die Wiedergabe der
Farben verlangt wird. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend,
ist in den unter der Leitung des Herausgebers stehenden Lehr-
anstalten der Unterricht im Zeichnen nach Gips beibehalten
worden, indem von den einfachsten Formen, Würfel, Pyramide,
Zylinder, Kegel und Kugel, ausgehend, besondere Aufmerksam-
keit der Bildung der Form durch Licht, Halbschatten und
Schatten gewidmet wird. Ist der Schüler befähigt, diese Körper
und einige Durchdringungskörper derselben nach der Natur
zu zeichnen, so werden ihm Vorlagen in Gestalt von Gipsab-
güssen einzelner Gesichtsteile, des Mundes, der Nase, des Ohres
und der Augen, keine Schwierigkeit bieten. Auf Grund der
erlangten zeichnerischen Fertigkeit kann nun zum Zeichnen
nach ganzen Köpfen übergegangen werden. Ist nun die für
den Zeichenunterricht verfügbare Zeit eine beschränkte, wie
es meistens der Fülle des Unterrichtsmaterials wegen bei