Zweiter Teil. Diskussionsabend.
gemeinen für rauschende Festlichkeiten bestimmt, oder die freund-
lichen Kaffeeschwestern von Berlin W versammeln sich hier. Aber
heute soll dieser Saal den ernstesten Fragen gewidmet sein. Die
Veranlassung dazu ist P. Wasmann von der Societas Jesu. Er hat
in die Berliner Bevölkerung einen Funken geworfen, der zu einer
riesigen Flamme angewachsen ist. Der enorme Andrang ist ein
Beweis, daß das Thema, das wir behandeln, das Herz aller Menschen
packt.‘ Es handelt sich um den alten Kampf zwischen Kirche
und Naturwissenschaft, diesen Kampf, der seit vielen Jahr-
hunderten tobt, und dem Männer wie Galilei, Kolumbus u. a. mehr
oder weniger geopfert worden sind. Was diesem Kampfe hier‘ das
besondere Gepräge aufdrückt, ist das Eigentümliche des P. Was-
mann. Die Kirche, der Priester naht in der Gestalt eines Natur-
forschers. Bisher kam die Kirche nur in der Gestalt des Priesters.
Jetzt aber hat sich die Kirche dazu verstanden, die Naturwissen-
schaften zu okkupieren; wir Naturwissenschaftler begrüßen das als
ein erfreuliches Zeichen, denn damit ist die Möglichkeit einer Ver-
ständigung gegeben. Gewiß sind solch ernste Fragen nicht in
großen Versammlungen zu lösen. Aber es war der Wunsch des
P. Wasmann, das kritische Urteil der Fachgenossen zu hören, und
da sagte ich mir: wir Naturforscher dürfen nicht mit unserer Über-
zeugung zurückhalten. Schärfe ist dabei natürlich nicht zu ver-
meiden, aber sie gilt der Sache, nicht der Person.
Zu diesen Einleitungsworten des Herrn Redners muß bemerkt
werden !, daß es sich bei meinen Vorträgen nicht um den Kampf
zwischen Kirche und Naturwissenschaft handelte, son-
dern um eine rein sachliche Orientierung über die Frage: was haben
wir von der Entwicklungstheorie zu halten? Herr Prof. Plate hat
also schon im Beginn seiner Rede den ganzen Standpunkt der Frage
verschoben und die rein wissenschaftliche Kontroverse auf das Ge-
biet der religiösen Polemik hinübergespielt; dadurch wurde die
Sache pikanter. Selbst Kolumbus, der bei seinen Entdeckungsreisen
stets die Verbreitung des katholischen Glaubens als Hauptmotiv
angab und der mit dem Franziskanerhabit bekleidet starb, mußte
ihm hier als «Opfer des Kampfes zwischen Kirche und Naturwissen-
schaft» dienen.
Was ist nun, so fährt Prof. Plate fort, der Haupteindruck, den
ich gehabt habe? Unser Vortragender ist eine Doppelnatur;
in ihm ist eine merkwürdige Mischung von Naturforsche!
und Theologe gegeben. Beide streiten um dieselben Objekte:
Aber es siegt in diesem Konflikte stets der Theologe, und die Natur:
1 Da in meiner Schlußrede die Einwendungen dieses Hauptopponenten besonder“
berücksichtigt werden, beschränke ich mich hier, um Wiederholungen zu vermeiden:
auf die nötigsten kritischen Bemerkungen.
Kt