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Erster Teil. Vorträge über das Entwicklungsproblem Dritter Vortrag (17. Febr.). Die Anwendung der Deszendenztheorie auf den Menschen

Full text: Der Kampf um das Entwicklungs-Problem in Berlin / Wasmann, Erich (Public Domain)

Erster Teil. Vorträge über das Entwicklungsproblem. 
Da möchte ich Ihnen zum Schluß ein geistiges Lichtbild 
vorführen. 
Vor mir sehe ich ein großes Weltenmeer, in der Mitte einen 
Felsen — hochaufragend; zu den Füßen des Felsens kommen 
und gehen Wogen in ewigem Wechsel. — Der Fels ist die 
christliche Weltanschauung. Die Wogen zu seinen Füßen sind die 
wechselnden Systeme der menschlichen Wissenschaft. Dort, am 
Fuße des Felsens, der schon Jahrtausende unentwegt steht und 
stand, hat schon mancher mächtige Wasserkampf sich abgespielt. 
Es sind 350 Jahre her, da begann ein solcher Wasserkampf. Schon 
lange hatte eine Woge friedlich und ruhig am Fuße des Felsens 
geruht, so daß die Bewohner desselben glaubten, diese Welle sei 
verwachsen mit dem Fundament des Felseneilands; wenn eine andere 
Woge komme und die frühere verdränge, dann stürze der Felsen 
unfehlbar in die Tiefe. Die Welle kam, eine neue, mächtige, und 
verdrängte die frühere Welle, aber sie stürzte nicht den Felsen. — 
Ich glaube, Sie werden das Bild verstehen. Der Wasserkampf, von 
dem ich spreche, in welchem die Woge des menschlichen Wissens 
anstürmte gegen den Fels der christlichen Weltanschauung, das war 
der Kampf zwischen dem kopernikanischen und dem ptolemäischen 
System. Das ptolemäische Weltsystem hatte schon Jahrhunderte 
mit einer solchen Ruhe und Friedlichkeit am Fuße des Felsens der 
christlichen Weltanschauung geruht, daß man glaubte, ohne das 
System komme man nicht aus; wenn die Erde anfangen würde, 
sich zu drehen um die Sonne, wenn die Erde nicht mehr stille stehe 
wie früher, dann stürze der Felsen um. — Aber als jene alte Woge 
weichen mußte, als das kopernikanische System kam, das neue, 
mächtigere, und das alte verdrängte, und als nun wirklich die Erde 
anfıng, sich zu drehen um die Sonne, da blieb der Felsen doch 
stehen! Die gläubigen Gemüter, die gezittert hatten, sahen ein: 
es war kein Grund zur Furcht! Der Felsen stand zu fest, um 
durch einen vorübergehenden Anvrall der Wogen erschüttert zu 
werden. 
Abermals sind 300 Jahre dahingegangen, da umfaßte ein neuer 
Wasserkampf den alten Felsen. Wiederum hatte eine Welle schon 
seit langem friedlich und ruhig am Fuße des Felsens geruht. Auch 
da glaubten wiederum viele Bewohner des Felsens, die Welle sei 
ihnen unentbehrlich; wenn sie einer stärkeren Woge weiche, dann 
müsse der Felsen in den Abgrund sinken, Und auch diesmal kam 
die neue Welle. Und in dem Kampfe, der sich zwischen ihr und 
der alten Welle entsponnen hat, wird die neue höchst wahrscheinlich
	        
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