Dritter Vortrag. Die Anwendung der Deszendenztheorie auf den Menschen,
Der Fund war überraschend. Ich erinnere mich noch, wie 1895
auf dem dritten Zoologenkongreß in Leiden Eugen Dubois in zwei-
stündiger Rede den Beweis versuchte, daß dieser Pithecanthropus das
bisher vergeblich gesuchte mzssing link sei zwischen Mensch und
Affe. Virchow saß während des ganzen Vortrages als Ehren-
präsident mit unbeweglicher parlamentarischer Miene da; ich hätte
gern aus seinen Zügen gelesen, was er davon hielt, doch es
war unmöglich. Nachher erhob er sich, und in außerordentlich
höflicher Weise sprach er dem Redner Anerkennung und Dank aus,
urteilte dann aber schließlich dahin, daß man etwas Sicheres erst
würde feststellen können, wenn man ein ganzes Skelett finde. Das
war eine etwas rigorose Forderung, die bis heute noch unerfüllt
blieb. Es haben sich indessen auch die Hoffnungen, die man von
populärer Seite an den Fund geknüpft hat, nicht erfüllt.
In einem Lichtbild zeigt der Vortragende zur Erheiterung der Zuhörer
ein Scherzbild, das auf dem dritten Zoologenkongreß auf der Speisekarte
stand und den Pithecanthropus als Gigerl darstellt.
In Bezug auf die wissenschaftliche Beurteilung des Pithecanthropus
sprechen sich neuerdings die meisten hervorragenden Autoritäten
dahin aus, er sei ein echter Affe aus der Gruppe der Hyloba-
liden, der in mancher Beziehung sich dem Menschen mehr nähert
als gewisse anthropomorphe Affen, in andern Punkten jedoch wieder
manchen niedrigeren Affen näher ist.
Berühmter noch als der Pithecanthropus wurde bald darauf der
sogenannte Neandertalmensch. Schon in den 50er Jahren war
sein Schädeldach gefunden worden vor einer Höhle im Düsseltale
im Rheinland. Es war wiederholt untersucht und von einer ganzen
Reihe von Anthropologen für alles mögliche gedeutet worden,
sogar für einen mongolischen Kosaken. Virchow hatte damals
Zweifel geäußert an dem wirklich altdiluvialen Charakter des be-
treffenden Schädeldaches. Schwalbe glaubte 1901 nach einer
nochmaligen Untersuchung des Schädels die Hypothese aufstellen
zu sollen, daß der Inhaber des Schädels kein Mensch gewesen sei,
sondern einer eigenen Gattung angehört habe, die zwischen Affe
und Mensch stand. Aber es dauerte nicht lange, nur bis 1904,
da sagte derselbe Forscher: Nein, eine eigene Gattung zwischen
Mensch und Affen ist dieses Neandertalgeschöpf doch nicht, sondern
es ist nur eine ältere, tierähnliche Spezies derselben Gattung des
Menschen. Er nannte ihn Urmensch (Homo primigenius). Nun
ist es sehr interessant zu verfolgen, wie aus dem Homo trimigenius.