Path:
Erster Teil. Vorträge über das Entwicklungsproblem Dritter Vortrag (17. Febr.). Die Anwendung der Deszendenztheorie auf den Menschen

Full text: Der Kampf um das Entwicklungs-Problem in Berlin / Wasmann, Erich (Public Domain)

Dritter Vortrag. Die Anwendung der Deszendenztheorie auf den Menschen, 
Der Fund war überraschend. Ich erinnere mich noch, wie 1895 
auf dem dritten Zoologenkongreß in Leiden Eugen Dubois in zwei- 
stündiger Rede den Beweis versuchte, daß dieser Pithecanthropus das 
bisher vergeblich gesuchte mzssing link sei zwischen Mensch und 
Affe. Virchow saß während des ganzen Vortrages als Ehren- 
präsident mit unbeweglicher parlamentarischer Miene da; ich hätte 
gern aus seinen Zügen gelesen, was er davon hielt, doch es 
war unmöglich. Nachher erhob er sich, und in außerordentlich 
höflicher Weise sprach er dem Redner Anerkennung und Dank aus, 
urteilte dann aber schließlich dahin, daß man etwas Sicheres erst 
würde feststellen können, wenn man ein ganzes Skelett finde. Das 
war eine etwas rigorose Forderung, die bis heute noch unerfüllt 
blieb. Es haben sich indessen auch die Hoffnungen, die man von 
populärer Seite an den Fund geknüpft hat, nicht erfüllt. 
In einem Lichtbild zeigt der Vortragende zur Erheiterung der Zuhörer 
ein Scherzbild, das auf dem dritten Zoologenkongreß auf der Speisekarte 
stand und den Pithecanthropus als Gigerl darstellt. 
In Bezug auf die wissenschaftliche Beurteilung des Pithecanthropus 
sprechen sich neuerdings die meisten hervorragenden Autoritäten 
dahin aus, er sei ein echter Affe aus der Gruppe der Hyloba- 
liden, der in mancher Beziehung sich dem Menschen mehr nähert 
als gewisse anthropomorphe Affen, in andern Punkten jedoch wieder 
manchen niedrigeren Affen näher ist. 
Berühmter noch als der Pithecanthropus wurde bald darauf der 
sogenannte Neandertalmensch. Schon in den 50er Jahren war 
sein Schädeldach gefunden worden vor einer Höhle im Düsseltale 
im Rheinland. Es war wiederholt untersucht und von einer ganzen 
Reihe von Anthropologen für alles mögliche gedeutet worden, 
sogar für einen mongolischen Kosaken. Virchow hatte damals 
Zweifel geäußert an dem wirklich altdiluvialen Charakter des be- 
treffenden Schädeldaches. Schwalbe glaubte 1901 nach einer 
nochmaligen Untersuchung des Schädels die Hypothese aufstellen 
zu sollen, daß der Inhaber des Schädels kein Mensch gewesen sei, 
sondern einer eigenen Gattung angehört habe, die zwischen Affe 
und Mensch stand. Aber es dauerte nicht lange, nur bis 1904, 
da sagte derselbe Forscher: Nein, eine eigene Gattung zwischen 
Mensch und Affen ist dieses Neandertalgeschöpf doch nicht, sondern 
es ist nur eine ältere, tierähnliche Spezies derselben Gattung des 
Menschen. Er nannte ihn Urmensch (Homo primigenius). Nun 
ist es sehr interessant zu verfolgen, wie aus dem Homo trimigenius.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.