Erster Teil. Vorträge über das Entwicklungsproblem.
Dritter Vortrag (17. Febr.).
Die Anwendung der Deszendenztheorie
auf den Menschen.
Hochansehnliche Versammlung!
Die Frage, von wannen der Mensch kommt, und wohin er geht,
war von jeher ein Markstein, an welchem die Geister sich schieden.
Aus dem Staube geboren, kehrt der Mensch in den Staub zurück —
das ist sein ganzes Schicksal, so sagt von alters her der Ma-
terialismus. Nein, erwidert darauf der Idealismus aller christlichen
Zeiten, nein, das ist nicht das ganze Schicksal des Menschen!
Ein «Funke des göttlichen Geistes» beseelt den sterblichen Leib,
auf Gottes Schöpfermacht führt der Ursprung des Menschen zu-
rück, zu Gott hin führt das Endziel seines Lebenslaufes, nur in
der Erkenntnis und Liebe Gottes in einem ewigen Leben nach dem
Tode kann der Menschengeist völlig glücklich werden!
Was sagt hierzu die Naturwissenschaft? Ja, der Mensch ist aus
Staub gebildet und kehrt zum Staube zurück, wenn wir nur die
niedere, die tierische Seite des Menschen betrachten, Die moderne
Biologie hat uns gezeigt, wie der Mensch in seiner Keimesentwick-
lung aus einer winzigen Eizelle entsteht, ähnlich wie die Wirbel-
tiere. Sie hat uns ferner gezeigt, daß beim Menschen wie bei den
Tieren die Keimzellen die materiellen Träger der Vererbung sind:
sie sind das einzig konstante Element in der leiblichen Geschichte
der Menschheit, während das Individuum entsteht und vergeht. Aber
damit hat die Biologie nur die eine, die materielle Seite der
Frage von ihrem Standpunkt aus erforscht; die andere, die gei-
stige Seite desselben Problems, entzieht sich ihrem Forschungsbereich.
Die Existenz einer geistigen Seele im Menschen, die von Gott ge-
schaffen ist und nach dem Tode des Leibes zu Gott zurückkehrt, wird
durch jene biologischen Forschungsresultate gar nicht berührt.
Ähnlich steht es auch mit der hypothetischen Stammes-
zeschichte der Menschheit. Mag auch sie ihrer materiellen Seite
nach im Staube der Erde entspringen, mag sie in ihrem ganzen
Verlauf an den Staub der Erde gekettet sein und schließlich in
den Erdenstaub zurückkehren — daraus folgt noch gar nichts gegen
die höhere Würde des Menschen, die er als «Ebenbild Gottes»
durch seine geistige Seele besitzt, daraus folgt nichts gegen
seinen Ursprung durch göttliche Schöpfung, nichts gegen seine Be-
stimmung zu einem göttlichen Ziele. Ebenso wie jedes Atom des