Zweiter Vortrag, Darwinismus und Entwicklungslehre.
wo als Voraussetzung die innere Anpassungsfähigkeit der Orga-
nismen da ist. Ohne diese kommt man nicht aus.
Wir haben im ersten Teile des Vortrags die christlich-theistische
Weltauffassung der monistischen gegenübergestellt, welche von einem
persönlichen Gott und Schöpfer nichts mehr wissen will. Es ist
geradezu eine gewisse Theophobie, eine Schöpferscheu einge-
rissen in manchen naturwissenschaftlich gebildeten Kreisen. Ich
kann das nur bedauern, weil ich glaube, daß es zum allergrößten
Teile auf mangelhafter Kenntnis der christlichen Philosophie und
Theologie beruht. Das Studium eines einzigen gründlichen Lehr-
buchs, z. B. der Theodicee von Gutberlet, würde hinreichen,
aufzuklären über die Bedeutung und das wahre Wesen des christ-
lichen Gottesbegriffes.
Zum Schluß möchte ich noch einen Zeugen für die theistische
Weltanschauung anführen, der nicht im Verdacht steht, Jesuit zu
sein. Charles Darwin hatte nicht jene krankhafte Schöpferscheu,
die viele seiner Nachfolger vollkommen eingenommen hat!l. Am
Schlusse seines Hauptwerkes über die Entstehung der Arten
hat er folgende schöne Stelle geschrieben — sie steht noch in der
siebten deutschen Auflage, die nach seinem Tode erschienen ist,
und ich zitiere nach der deutschen Übersetzung —:
«Es ist wahrlich eine großartige Ansicht, daß der
Schöpfer den Keim alles Lebens, das uns umgibt, nur
wenigen oder nur einer einzigen Form eingehaucht
hat, und daß, während unser Planet, den strengsten Ge-
setzen der Schwerkraft folgend, sich im Kreise ge-
schwungen, aus so einfachem Anfange sich eine end-
lose Reihe der schönsten und wundervollsten Formen
entwickelt hat und noch immer entwickelt.»
Ich glaube, nach diesen Worten brauche ich als Naturforscher
keine Entschuldigung, daß ich selbst zur theistischen Weltauffassung
mich bekenneß®.
1 Daß Darwin später immer mehr zum Agnostizismus hinneigte, ist bekannt.
Wenn er aber trotzdem in den späteren Auflagen seiner «Entstehung der Arten»
die hier zitierten Schlußworte nicht änderte, so geht daraus zur Genüge hervor, daß
er sich seiner früheren theistischen Überzeugung auch später keineswegs schämte,
%? Man vergleiche auch den schönen Vortrag von Prof. Reinke (Kiel) «Natur-
wissenschaft und Religion»: Die Propyläen 1907, ı2z. März, Nr 24.