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Erster Teil. Vorträge über das Entwicklungsproblem Zweiter Vortrag (14. Febr.). Theistische und atheistische Entwicklungslehre. Entwicklungslehre und Darwinismus

Full text: Der Kampf um das Entwicklungs-Problem in Berlin / Wasmann, Erich (Public Domain)

Erster Teil. Vorträge über das Entwicklungsproblem, 
Über die sog. darwinistische Weltanschauung brauche 
ich weiter kein Wort zu verlieren, weil sie identisch ist mit jener 
realistisch-monistischen Weltauffassung, auf welche ich bereits im 
ersten Teile des heutigen Vortrages näher eingegangen bin. Was 
endlich die Anwendung der Darwinschen Selektionstheorie auf den 
Menschen angeht, so genüge hier die Bemerkung, daß sie den 
Menschen allzusehr als bloßes Tier auffaßt und deshalb unhaltbar 
ist; im übrigen wird die Anwendung der Entwicklungstheorie auf 
den Menschen Gegenstand meines dritten Vortrages am nächsten 
Sonntag sein. 
Ich fasse im folgenden kurz das Resultat der Untersuchung 
über die naturwissenschaftliche Bedeutung des Darwinismus zu- 
sammen: 
Die Selektionstheorie Darwins ist als Hilfsfaktor auch heute 
noch in der Entwicklungstheorie unentbehrlich; ihre Bedeutung ist 
aber eine untergeordnete, und zwar eine sehr verschiedene, je nach 
den Erscheinungsgebieten, um die es sich handelt. Nur ein Bei- 
spiel dafür: Bei den Ameisen- und Termitengästen haben wir gestern 
den Trutztypus gesehen, der auf Unangreifbarkeit berechnet ist, den 
Mimikrytypus, der auf Täuschung der Wirte durch die Gäste aus- 
geht, und drittens sahen wir den Typus der echten Gäste. Für 
diese drei Typen gilt die Selektionstheorie in ganz verschiedener 
Weise. Am meisten Bedeutung hat sie bei dem Trutztypus, eine 
schon etwas geringere beim Mimikrytypus und die geringste beim 
Typus der echten Gäste (Symphilentypus). Hier finden wir als 
Hauptfaktor die Amikalselektion!, welche von der Naturzüch- 
tung nicht bloß verschieden ist, sondern von einer bestimmten Ent- 
wicklungsstufe an sogar ihr entgegenwirkt und sie besiegt. Ein 
Beispiel wird dies zeigen. Die blutrote Raubameise erzieht in ihrem 
echten Gast Lomechusa ihren schlimmsten Feind vermöge eines 
Instinktes, der zum Verderben ihrer eigenen Art gereicht. Wir 
sehen hier eine Instinktausbildung, die durch Naturzüchtung un- 
möglich entstanden sein kann; denn der Gast ist schädlich von 
dem Augenblick an, wo er seine Larve in dem Ameisennest er- 
ziehen läßt. Ich glaube deshalb, in diesem Falle hat die Amikal- 
selektion den Sieg über die Naturzüchtung davongetragen, bin aber 
weit davon entfernt, auf allen andern Gebieten die Selektionstheorie 
für ebenso schwach zu erklären. Man kann viele Beispiele bringen 
zu Gunsten dieser Theorie; sie kommt aber nur dort zur Geltung, 
Vel. «Die moderne Biologie»? S. 338 345 384.
	        
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