Erster Teil. Vorträge über das Entwicklungsproblem.
wicklungstheorie als solche ist vollständig gleichgültig,
indifferent, gegen jede Weltauffassung, wenngleich es
ein Bedürfnis des menschlichen Geistes ist, die naturwissenschaftliche
Theorie mit irgend einer Weltauffassung in Verbindung zu bringen.
I. Theistische und atheistische Entwicklungslehre.
Der denkende Geist geht, wenn er eine wissenschaftliche Theorie
liebgewonnen, sofort dazu über, sie zu verallgemeinern. Wenn auch
das tatsächliche Wissen momentan nur bis zu bestimmten Punkten reicht,
wenn auch wahrscheinlich für die Wissenschaft vieles selbst in der
Zukunft verschlossen bleiben wird, ist man doch sehr geneigt, sich
rosigen Hoffnungen hinzugeben und nach Analogien großartige Per-
spektiven im Geiste auszumalen. So entsteht aus der natur-
wissenschaftlichen Entwicklungstheorie die philosophische
Entwicklungstheorie. Gegen diese kann man an und für sich gar
nichts einwenden; sie entspricht nur den Bedürfnissen des mensch-
lichen Geistes. Es war ja schon etwas Philosophie, wenn wir im
ersten Vortrag sagten: die christliche Weltauffassung stehe im Ein-
klang mit der naturwissenschaftlichen Entwicklungstheorie, Bei diesem
Ausspruch haben wir schon philosophische Momente hineingetragen;
wir haben bereits verallgemeinert, um ein großzügiges Bild zu ent-
werfen von der Entwicklung des gesamten Kosmos durch natürliche
Gesetze, von einer Entwicklung, die ausging vom ersten Schöpfungs-
wort. Also daß wir die naturwissenschaftliche Entwicklungstheorie
philosophisch verallgemeinern, das ist ganz naturgemäß; wenn wir
es aber tun, so kommen wir sehr bald zu der Frage: auf welchen
Standpunkt soll diese Verallgemeinerung aufgebaut werden? Hier
beginnt das Gebiet der Weltanschauung.
Eine Weltanschauung ohne Voraussetzung gibt es einmal nicht.
Man hält der theistischen Weltanschauung so oft vor, sie sei nicht
«voraussetzungslos» ; sie mache die Voraussetzungen von einem
persönlichen Schöpfer, von einer Schöpfung etc. Aber Voraus-
setzungen hat doch jede Weltanschauung, auch die monistische.
Sie setzt die Ewigkeit der Materie voraus, sie setzt vieles andere
voraus, was gar nicht erwiesen werden kann, was mit Tatsachen
mindestens ebensowenig in Zusammenhang steht wie die Voraus:
setzungen der theistischen Weltanschauung.
Was nun den Monismus angeht, so müssen wir vor allem
genau unterscheiden... Es gibt einen «wissenschaftlichen Monis-
mus», der sich mit Vorliebe auch Kausalismus nennt und für jede
natürliche Erscheinung auch natürliche Ursachen fordert, und zwar