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Zweiter Teil. Diskussionsabend (18. Febr.) Rede des ersten Opponenten, Herrn Prof. Dr. Plate

Full text: Der Kampf um das Entwicklungs-Problem in Berlin / Wasmann, Erich (Public Domain)

Erster Teil. Vorträge über das Entwicklungsproblem. 
die Beweise; ja sie gehen uns endlich ganz aus, so daß wir schließlich 
sagen müssen: die Annahme einer monophyletischen (ein- 
stammigen) Entwicklung des ganzen Organismenreiches 
ist ein schöner Traum ohne naturwissenschaftliche 
Beweise. Ebenso ist auch die Annahme einer monophyletischen 
(einstammigen) Entwicklung des ganzen Tierreichs einerseits und des 
ganzen Pflanzenreichs anderseits aus je einer Urform nur so ein 
schöner Traum. Naturwissenschaftliche Beweise, wie für die 
Stammesverwandtschaft der Arten, Gattungen, Familien, haben wir 
hierfür nicht. Hier geht uns das Beweismaterial schlechthin aus. 
Da wird man mir entgegnen, das seien ja lauter Fleischmannsche 
Behauptungen. Nein, auf Fleischmann stütze ich mich hier nicht, 
da er in seiner Opposition gegen die Entwicklungstheorie zu weit 
geht. Aber darin hat er recht: eine Zurückführung der 
Haupttypen des Tierreichs auf eine einzige Grund- 
form ist nicht möglich; alle Versuche in dieser Richtung sind 
gescheitert. Das sagt nämlich nicht nur Fleischmann, sondern auch 
andere, viel gewichtigere Autoritäten. Ich möchte hier ganz besonders 
Professor Oskar Hertwig nennen, der im Schlußkapitel seines 
ausgezeichneten Handbuches der vergleichenden und experimentellen 
Entwicklungsgeschichte in überaus klarer und logischer Weise die 
bisherigen Beweise aus der vergleichenden Morphologie und der Ent- 
wicklungsgeschichte zu Gunsten der Deszendenztheorie geprüft hat. 
Sein Ergebnis lautet: Die Beweise für die monophyletische 
Stammesentwicklung versagen gänzlich, wir werden auf 
die Annahme einer vielstammigen Entwicklung immer mehr hin- 
gedrängt. Ähnlich hat Professor Boveri, der sicher ebenfalls nicht 
durch «theologische Vorurteile» beeinflußt war, in seiner letzten 
Rektoratsrede an der Universität Würzburg über «die Organismen 
als historische Wesen» sich ausgesprochen. Auch er hält die Zurück- 
führung sämtlicher Stämme des Tierreichs auf eine einzige Grundform 
für unmöglich. Unter den Paläontologen sind besonders Steinmann, 
Koken und Diener 1 für eine polyphyletische Entwicklung neuerdings 
eingetreten, unter den Botanikern v. Wettstein. Da kann man mir 
also nicht entgegnen, ich sei als «Theologe» für die vielstammige Ent- 
wicklung eingenommen. Nein, ich bleibe bei meinen Schlußfolgerungen 
gerade so zoologisch konsequent wie die oben erwähnten hervorragen- 
den Naturforscher, die, ohne Theologen und ohne Jesuiten zu sein, eben- 
falls für eine polyphyletische Entwicklung sich ausgesprochen haben. 
Paläontologie und Evolutionslehre: Österreichische Rundschau XI (1907), Hft 2.
	        
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