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Erster Teil. Vorträge über das Entwicklungsproblem Erster Vortrag (13. Febr.). Die Entwicklungslehre als naturwissenschaftliche Hypothese und Theorie

Full text: Der Kampf um das Entwicklungs-Problem in Berlin / Wasmann, Erich (Public Domain)

Erster Teil. Vorträge. über das Entwicklungsproblem. 
sammenhang zwischen den heute lebenden Tieren und Pflanzen und 
den fossilen Organismen, diese Frage ist eine durchaus wissenschaft: 
liche; sie ergab sich mit logischer Konsequenz aus den Forschungen 
der Zoologie, Botanik und Paläontologie. Das eine also wollen wir 
nachdrücklich feststellen: die Entwicklungslehre als naturwissen 
schaftliche Hypothese und Theorie ist ganz naturgemäß 
entsprungen aus der Weiterentwicklung der Zoologie, Botanik und 
Paläontologie. 
Was ist demnach der Gegenstand der Entwicklungslehre als 
naturwissenschaftlicher Hypothese und Theorie? Wie ich bereits an- 
deutete, ist es: erstens, die Reihenfolge der Tier- und Pflanzen- 
formen seit dem ersten Auftreten unseres Lebens zu erforschen, welche 
Stammesreihen der Arten, Gattungen und Familien wir anzunehmen 
haben; zweitens, diese Reihenfolge durch eine natürliche Ent- 
wicklung der Arten zu erklären. Das ist also der Gegen 
stand der naturwissenschaftlichen Entwicklungslehre: die tatsäch- 
liche und .ursächliche Erforschung der organischen 
Formenreihen, an deren Spitze die Arten der Gegenwart 
stehen. 
Was ist demnach nicht Gegenstand der Entwicklungslehre?* Ihr 
Gegenstand ist es nicht, den ersten Ursprung des Lebens auf Erden 
zu erklären. Die Frage, ob wir Urzeugung oder Schöpfung für die 
Entstehung der ersten Organismen annehmen müssen, ist ein natur- 
philosophisches Problem, das bereits außerhalb der naturwissen- 
schaftlichen Entwicklungstheorie liegt und nicht in sie hinein- 
gehört. Das sind bereits metaphysische Probleme. Über diese 
spreche ich im nächsten Vortrage; heute beschränke ich mich 
auf die Entwicklungslehre als naturwissenschaftliche Hypothese und 
Theorie. 
Selbstverständlich ist diese Entwicklungslehre keine Erfahrungs: 
wissenschaft; sie ist ein Hypothesengebäude, das zu einer 
Theorie sich zusammenschließt. ‘Sie kann uns nur einen höheren 
oder geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit über die Vor- 
gänge der Stammesgeschichte bieten; denn die Stammesentwicklung 
ist nicht unmittelbar durch Beobachtung oder Experiment als Tat- 
sache zu erschließen. Das kann ja auch nicht anders sein. Der 
Mensch ist als Epigone aufgetreten am Schlusse einer Entwicklung 
auf Erden, die Millionen von Jahren umfaßte. Nun schaut er rück- 
wärts und findet nur noch höchstens Denkmäler, Trümmer, Spuren 
vorausgegangener Entwicklungen. Die Stammesentwicklung selber 
kann er nicht mehr schauen, er kann sie nur auf dem Wege der
	        
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