Erster Teil. Vorträge über das Entwicklungsproblem.
zu unterscheiden, wie wir ferner die einzelnen Begriffe aufzufassen
und wie wir uns gegen dieselben zu verhalten haben,
Glauben Sie ja nicht, ich sei hierher gekommen, um eine Kampf
rede gegen Haeckel zu halten. Das ist wahrlich nicht mein Zweck
Ich wurde im Juli letzten Jahres schon von der Konzertdirektion
Sachs eingeladen, nach Berlin zu kommen, um einen Vortrag oder
eine Disputation gegen Haeckel zu halten. Ich bin darauf nicht
eingegangen, es erschien mir nicht zweckmäßig, weil ich die ohne
hin schon bestehende geistige Aufregung nicht vermehren wollte
Kampfreden sind von hüben und drüben schon genug gehalten
worden. Rein sachliche Aufklärung zu fördern, das ist mein Zweck,
ınd damit glaube ich nach allen Seiten hin ein gutes Werk zu tun
Der Plan meiner Vorträge ist Ihnen ganz kurz schon entwickelt
worden in dem Programm. Der erste Vortrag wird Ihnen die Ent
wicklungslehre als naturwissenschaftliche Hypothese und Theorie
kurz vorführen, und zwar an der Hand einer Reihe von photo-
graphischen Lichtbildern, die: ich aus meinem Spezialgebiet der
Ameisen- und Termitengäste genommen habe, weil ich mich dort
auf heimischem Boden fühle und nicht auf fremde Autoritäten mich
zu stützen brauche. Nebenbei werde ich auch möglichst Argumente
aus andern Gebieten berücksichtigen. Der zweite Vortrag soll die
Unterscheidungen darlegen zwischen der Entwicklungslehre als natur-
wissenschaftlicher Hypothese einerseits und als philosophischer Welt-
anschauung anderseits, ferner zwischen der Entwicklungslehre, die
auf theistischer Grundlage, und zwischen einer solchen, die auf
materialistisch-atheistischer Grundlage beruht, endlich zwischen Dar-
winismus und Entwicklungstheorie. Der dritte Vortrag wird über
die Anwendung der Deszendenztheorie auf den Menschen handeln.
Er wird von einigen wenigen Lichtbildern begleitet sein. Für Montag
endlich ist ein Diskussionsabend (im großen Saale des Zoologischen
Gartens) beschlossen worden.
Als vor mehr als 350 Jahren der große Kampf entbrannte zwischen
dem kopernikanischen und dem ptolemäischen Weltsystem, da hatte
man noch keine Ahnung von der Tragweite der neuen Ideen, die
sich hier für den menschlichen Geist erschließen sollten. Erst den
letzten Jahrhunderten war es vorbehalten, an die heliozentrische Welt-
anschauung die natürliche Entwicklung unseres Sonnensystems und
die einheitliche Entwicklung des gesamten Kosmos, sämtlicher Himmels-
körper, anzugliedern. Von dieser riesigen hypothetischen Universal-
entwicklung, die auf natürlichen Gesetzen beruht, ist die Entwicklung
der kleinen Erde kaum ein Stundenteilchen, ja kaum eine Minute.