Zweiter Teil. Diskussionsabend.
«Der Verlauf der Versammlung wird für manchen eine große Ent-
täuschung bedeutet haben. Sieht man von Prof. Plate ab, der reiches
Wissen mit trefflicher Beredsamkeit und strengem Streben nach Sachlich-
keit verbindet !, so erschienen die einzelnen Diskussionsredner, an P. Was-
mann gemessen, fast wie Zwerge, und der leise Spott, mit dem der Vor-
tragende ihnen nachher antwortete, wäre im Munde eines andern Refe-
renten wahrscheinlich zur beißenden Satire geworden. Kein Zweifel:
wäre die Mehrheit der Riesenversammlung nicht gespannt gewesen, wie
sich P. Wasmann seiner Widersacher erwehren werde, und hätte sie es
nicht für eine Pflicht der Dankbarkeit gehalten, dem geistvollen Pater
am Schluß der Versammlung für alle seine Anregungen und Aufklärungen
nochmals mit lautem Beifall zu quittieren, dann wären die Zuhörer schon
bald nach Prof. Plates Auftreten in hellen Scharen davongelaufen.»
Ein anderes nichtkatholisches Blatt, die evangelische «Christliche
Welt» macht mir (Nr 12 vom 21. März 1907) den Vorwurf, ich hätte
in meinen Vorträgen Religion und Naturwissenschaft zu sehr ver-
mengt. Die Behauptung des Referenten, Ernst Teichmann, die
«Wissenschaft» bedeute für mich so viel wie «scholastisch zugestutzte
Kirchenlehre» , war völlig unbegründet?, wovon sich jeder über-
zeugen kann, der meine Berliner Vorträge wirklich gehört oder hier
gelesen hat. Um so bemerkenswerter scheint mir folgendes Zu-
geständnis desselben Referenten zu sein:
«Wer die (von Teichmann vorher ausführlich gegebene) Skizze der
deszendenztheoretischen Anschauungen Wasmanns liest, muß bei ruhiger
Beurteilung einen starken Eindruck davon gewinnen, daß sie nach der
Meinung dessen, der sie vertritt, überall und ohne Ausnahme auf dem
Boden strengster Wissenschaftlichkeit stehen. Man mag über
ihren Wert oder Unwert denken, wie man will, die Anerkennung wird
man Wasmann nicht versagen können, daß er nach seinem Verständnis
und den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, ein durchaus ein-
heitliches Ergebnis seiner wissenschaftlichen Betrachtungsweise
hervorgebracht hat. Es ist deshalb im Prinzip verfehlt, diese oder jene
seiner Aufstellungen herauszugreifen, um sie irgend einer andern ent-
Ein anderer protestantischer Kritiker, Dr M. Senff (im «Harzer Kurier» vom
27. April 1907), teilt diese Ansicht nicht, sondern meint, die ganze Beweisführung
Plates sei vorurteilsvoll und nicht frei von unerlaubter Unterschiebung gewesen;
vgl. im folgenden S. 152... Ferner muß zu der obigen Schilderung der übrigen
Diskussionsreden jedenfalls bemerkt werden, daß einige derselben, z. B. jene von
Prof. Dahl und von Dr Juliusburger, an Sachlichkeit des Inhalts und der Form über
der Rede des Prof. Plate standen. Der vom Referenten oben gezogene Vergleich
scheint mir daher nicht ganz zutreffend. .
% Vgl. auch hierüber das unten (S, 153) folgende Urteil eines andern protestan-
tischen Referenten, Dr M. Senff.