Zweiter Teil. Diskussionsabend.
Allerdings hat ein anderer Opponent, Herr Dr Juliusburger,
— ich möchte an dieser Stelle schon darauf eingehen — ‚eine Fülle
von Argumenten gegen die Geistigkeit und Einfachheit der Seele
angeführt. Aber ich glaube, daß alle diese Argumente gar nichts
gegen die richtige Auffassung der geistigen Seele beweisen, die
zu einer einzigen Substanz mit dem menschlichen Leibe verbunden
ist, die nicht darin wie in einem Kerker schmachtet, sondern eine
Substanz und ein Tätigkeitsprinzip mit dem menschlichen
Leibe bildet. Ferner, was die Krankheitserscheinungen angeht, die
Seelenstörungen, Geisteskrankheiten usw., so sind dieselben dadurch
erklärlich, daß die Seele in Bezug auf ihre Tätigkeiten abhängig
ist von den vorbereitenden Funktionen, welche die Sinnesorgane,
die Assoziationsbahnen usw. ihr bieten müssen. Ist also eine Stö-
rung im Nervensystem, so kann auch die betreffende geistige Tätig-
keit nicht mehr ausgeübt werden. Ich müßte übrigens, wenn ich
mich weiter darüber verbreiten wollte, stundenlang reden; deshalb
will ich davon Abstand nehmen, damit es nicht zu lange dauert!
Herr Prof. Plate hat als seine «persönliche Ansicht» zu meiner
großen Freude den Satz zugegeben: Hinter den Naturgesetzen
steckt ein Gesetzgeber? Ja, meine Herren und Damen, das
ist ein sehr schöner Satz, und ich glaube, unsere Ansichten auf
diesem Gebiet berühren sich näher, als Herr Prof. Plate glaubt.
Wenn wir den Gesetzgeber wirklich als ein intelligentes. Wesen auf-
fassen — und nur ein solches kann «Gesetzgeber» sein —, dann
haben wir hier ein Zugeständnis für die Annahme eines per-
sönlichen Gottes, und das ist mir die größte Befriedigung am
heutigen Abend; mehr konnte ich überhaupt nicht ver
langen! Daß wir durch unsere natürliche Erkenntnis über das
Wesen dieses Gottes sehr wenig wissen, ist ja schon längst bekannt
in der christlichen Philosophie und Theologie? Es sind also auch
hier wiederum Mißverständnisse*
Bei dem Felsen der Kirche, den Herr Plate auch am Ende
berührt hat, kam er auf verschiedene historische Tatsachen. wie
1 Eine eingehende Widerlegung der acht Punkte der Juliusburgerschen Rede
siehe bei den einzelnen Punkten dieser Rede selbst (oben S, 99 ff).
Siehe oben S. 70.
Zur Ergänzung dieser Bemerkung siehe oben S, 70of,
* Der stets gegen die theistische Weltauffassung wiederholte Vorwurf, daß sie
Gott anthropomorph als «vollkommeneren Menschengeist» sich denke, ist nur begreif-
lich aus der großen Unkenntnis, die über die christliche Theodicee in den Kreisen
ihrer Gegner herrscht. Man vergleiche hierüber meine Bemerkungen zu den Reden von
Plate (oben S. 70 f), Plötz (S. 108 f), Schmidt-Tena (S. ı119f) und Thesing (S. 122 £)-
a