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Zweiter Teil. Diskussionsabend (18. Febr.) Rede des achten Opponenten, Herrn Dr. Juliusburger

Full text: Der Kampf um das Entwicklungs-Problem in Berlin / Wasmann, Erich (Public Domain)

Zweiter Teil. Diskussionsabend, 
Für die Lokalisation der höheren psychischen Funktionen, der 
eigentlichen Geistestätigkeiten, auf bestimmte Bezirke der 
Großhirnrinde fehlt aber bisher jeder zuverlässige Beweis. Ich 
stimme hierin mit K. v. Monakow überein, welcher sagt, wir seien 
hierin noch «über ein unsicheres Tasten auf der Hirnoberfläche nicht 
hinausgekommen» (Ergebnisse der Physiologie III [1904], 2. Abt., 
S. 122). Die von Flechsig als «Denkorgane» bezeichneten Stellen 
der Hirnrinde sind keineswegs als solche erwiesen. Obersteiner 
(Funktionelle und organische Nervenkrankheiten: Grenzfragen des 
Nerven- u. Seelenlebens II [1900]) sagt hierüber (S. 77) ausdrück- 
lich: «Überhaupt sehen wir, daß den bekannten Rindenzentren 
mit Sicherheit nur Leistungen auf mehr materiellem Gebiete zu 
geschrieben werden können.» Und S. 78 bezeichnet er Flechsigs 
«Entdeckung der Denkorgane» als einen nicht gelungenen Versuch, 
der von anatomischer wie von physiologischer und klinischer Seite 
angreifbar sei. Herr Dr Juliusburger hat somit mehr behauptet, 
als er beweisen konnte, wenn er sagte, durch die Lokalisation der 
Gehirnfunktionen sei der Beweis erbracht, daß unser höheres 
geistiges Leben «keine einheitliche, sondern eine sehr 
zusammengesetzte Größe» sei. Nur die niederen Hilfsprozesse 
desselben sind bisher einigermaßen als lokalisiert erkannt worden. 
Gegen die Existenz einer einfachen Seele hat er hiermit um so we- 
niger etwas bewiesen, als sowohl die niederen wie die höheren 
Seelentätigkeiten zu einer einheitlichen psychischen Ge 
samtleistung sich verbinden. 
Wir können diese Antwort kurz in den Satz zusammenfassen: 
Das geistige Leben des Menschen ist als eine Summe 
von Einzeltätigkeiten selbstverständlich keine eir 
fache, sondern eine vielfach zusammengesetzte Größe 
Aber das innere, substantielle Prinzip dieser Tätig 
keiten kann nur ein einfaches, geistiges Wesen sein. 
4. «Bei gewissen Geisteskrankheiten, zum Beispiel bei der soge: 
nannten Gehirnerweichung, erkranken frühzeitig gerade die aller 
feinsten seelischen Leistungen, sie gehen zu Grunde, und das soge 
nannte niedere Seelenleben wird erst sehr spät ergriffen und bleibt 
zum Teil erhalten. Ein anderes Beispiel: bei der melancholischen 
Gemütsstimmung erkranken nur die wertvollsten seelischen Tätig 
keiten.» 
(Antwort auf Nr 4.) Juliusburgers Berufung auf die Erschet 
nungen der Gehirnerweichung ist nicht zutreffend, beweist 
jedenfalls nichts gegen die Einfachheit der Seele des Menschen-
	        
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