Zweiter Teil. Diskussionsabend.
dem Menschen ein inneres Prinzip der Denk- und Willenstätigkeiten
d. h. eine einfache, geistige Seele zuschreiben.
2. «Es gibt im Menschen kein einheitliches Seelen
wesen. Die Analyse ergibt Empfindungen oder Wahrnehmungen
einfacher Art, Erinnerungsbilder solcher Wahrnehmungen, die das
Wesen der Vorstellung ausmachen, Verknüpfung dieser Vorstel-
lungen zu zusammengesetzten Vorstellungsbildern. Konkrete und
abstrakte Vorstellungen haben die gleiche Quelle ihrer Entstehung,
nämlich die Empfindung oder Wahrnehmung. Das materielle Sub-
strat der Verbindung der Empfindungen und Vorstellungen unter:
einander und miteinander ist in den der Anatomie wohlbekannten
Assoziationsfasern zu suchen. Die Wahrnehmungen und Vorstel-
lungen sind mit Gefühlen oder Willenserregungen verbunden. Diese
hier kurz skizzierte: Assoziationstheorie ist unvereinbar mit der
Annahme einer einfachen Seele.»
(Antwort auf Nr 2.) Daß ein einfaches Seelenwesen im
Menschen vorhanden sein müsse, ergibt sich direkt weder aus der
Introspektion noch aus dem objektiven Experiment, sondern nur
durch eine Schlußfolgerung. Das Vorhandensein einer Seele
als psychischen Prinzips erschließt man schon aus jedem einzelnen
psychischen Akte. Die Einfachheit der Menschenseele aber er
gibt sich durch Schlußfolgerung aus dem Vorhandensein eines ein:
heitlichen Selbstbewußtseins (Persönlichkeitsbewußtseins.
wie auch aus der psychologischen Analyse der Begriffs-, Urteils- und
Schlußbildung beim Menschen. Empfindungen, sinnliche Wahr
nehmungen und Vorstellungen erschöpfen keineswegs den In
halt unseres psychischen Lebens nach seiner Erkenntnisseite. All
gemeine Begriffe, Urteile und Schlüsse sind viel vorzüglichere Be-
standteile unseres Erkennens, und zu ihrer Erklärung reicht selbst
die psychologische Assoziation nicht aus, geschweige denn die Asso:
ziation im physiologischen Sinne, deren anatomische Grundlage die
sogenannten Assoziationsfasern darstellen. Allerdings bauen sich auch
unsere Begriffe, Urteile und Schlüsse auf den sinnlichen Empfindungen
auf, aber in ganz anderer Weise als die sinnlichen Vorstellungen.
in die sie als Elemente eintreten. Der alte Satz: Nihzl est in intel
lectu, quod non antea fuerit in sensu, ist nur insofern richtig, als
die sinnlichen Empfindungen und Wahrnehmungen die Vorbedin
gungen zu den eigentlichen Geistestätigkeiten bilden und das Ma
terial zu denselben liefern. Die richtig verstandene Assoziations
theorie ist also, wenn sie in ihren wirklichen Grenzen sich hält.
durchaus vereinbar mit der Annahme einer einfachen Seele, ja sie
führt sogar notwendig zu dieser Annahme.