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; MAX LIEBERMANI”
Dieser hat es vortrefflich verstanden, den Vorteilen des kulturlosen,
aber jungfräulichen Milieus die Bedingungen seiner Abstammung, seiner
sozialen Stellung und seiner determinierten Anlagen anzupassen und die
Konstellation aufs äußerste zu nützen. Ihn störten nicht die Traditionen,
als sie ihm schädlich werden konnten, und doch wußte keiner sie zu nützen
wie er, als er sie später brauchte. Hier zeigt sich die disziplinierende
Fähigkeit des Künstlers in ihrer ganzen Bedeutung, der er nächst den
gegebenen Bedingungen das wertvolle Resultat seines Lebens verdankt: die
kritische Kraft. Der Deutsche unserer Tage wird geneigt sein, diese
Eigenschaft zu unterschätzen. Er bedenke, daß sie Liebermann zum besten
unserer Maler gemacht hat. Das kritische Vermögen ist gewiß nicht das
Höchste in der Stufenfolge der Kräfte; aber daß es produktiv zu sein
vermag, wenn es groß und charaktervoll geübt wird, beweist nichts so
eindringlich. wie Liebermanns Gesamtwerk. Die Kritik, von .der hier die
Rede ist, kann auch Lebensbesonnenheit genannt werden. Sie erforscht
die Beziehungen der geistigen Werte zueinander, erkennt das Notwendige,
das heißt: das einzig lebendig Mögliche und zwingt dann das Talent,
dieses zu tun. Sie sorgt dafür, daß alles Störende fern gehalten wird und
richtet sich zuerst immer auf das Innere, auf die eigene Gefühlswelt. Sie
ist Sachlichkeit großen Stils. Vermöge seiner Kritik erkannte Liebermann
die Wichtigkeit der Intuition, und er zwang darum seine Natur zur
äußersten Entfaltung dessen, was darin von dieser Kraft enthalten ist.
Diese anschauend denkende, nicht leidenschaftlich dichtende Seele verurteilte
sich — und das war ein großer Sieg! — zur Passivität; aber indem der
Künstler sich ganz zum Instrument machte, worauf die Gesetzlichkeit der
Natur ihre Weisen spielt, und indem er das so Erlebte wieder zu sichten
und zu organisieren verstand, wuchs aus dem Erleiden einer Wahrheit die
Fähigkeit sie zu beherrschen und schön darzustellen hervor. Kritik im
Kleinen und Großen: das ist Liebermanns beste Kraft. Eine an sich
nicht geniale Kraft; daß aber jede Kraft bis zur Grenze des Genialen
gesteigert werden kann, durch Konsequenz und Disziplin, das hat in
neuerer Zeit kein Maler in dem Maße bewiesen wie dieser. Seine stetige
Entwickelung ist einzig in Deutschland. Heute ist in den Resultaten die
natürliche Beschränkung dieses Talentes kaum noch zu spüren, weil zu
dem Können, zu der mühsam erworbenen Einsicht und langsam heran-
gereiften Meisterschaft alle die schönen Gefühle, von denen die innige
Natur ausgeht, eins nach dem andern gekommen sind. Das Zarte und