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= MAX LIEBERMANN
die Töne flächig auf und behandelt an gewissen Punkten die Materie
sehr pastos. Ein reines Nebeneinander von Flecken, wie Leibl oder
Trübner es lieben, kennt er nicht; auch die Kommatechnik Monets. oder
anderer zum Kolorismus neigender Impressionisten liegt ihm.fern. In der
Nähe sehen seine Leinwände oft stark verschmiert aus und erst in ge-
wisser Entfernung stellt sich die klare Reinheit her. Es hat den Anschein,
als mache Liebermann oft den Malgrund selbst zur Palette, dergestalt,
daß er die Farben auf der Leinwand durcheinanderstreicht, bis die Absicht
erreicht ist. Dadurch entsteht nicht ein präzises musivisches Neben-
einander, sondern ein In- und Nebeneinander und es wird der Eindruck
erweckt, als läge Liebermann mit der Oelfarbe im Streit. Die Materie
an sich liebt er nicht; von der Zärtlichkeit einiger Maler für das Pigment
weiß er nichts. Ihm, dem Spirituellen, ist die Materie nur Mittel zum
Zweck. Was seine Bilder an dekorativen Elementen enthalten, wird nicht
aus den Eigenwirkungen dieser Materie, sondern nur aus der intellektuellen
Kraft und Prägnanz der Naturanschauung gewonnen. Darum sieht die
Oelfarbe bei ihm zäher und widerwilliger aus als bei vielen seiner Gleich-
strebenden. In der Entfernung freilich verliert sich vollkommen dieser
Eindruck. Das Leben stellt sich her und man vergißt das Baumaterial.
Da man in dieser Weise überall den Kampf mit Schwierigkeiten
sieht und den Sieg darüber, wird man immer wieder zur Bewunderung
der kritischen Organisationsfähigkeiten gezwungen. Fast in keinem Punkte
ist diesem Impressionisten ein reich fließendes "Talent entgegengekommen,
alles hat er erarbeiten müssen. Heute kennt er die Wirkungsmöglichkeiten
seiner Mittel, wie kein anderer deutscher Maler. Wie der Schriftsteller
durch ein Komma den Sinn eines Satzes zu verändern vermag, so versteht
Liebermann es, durch technische Kleinigkeiten geistige Wirkungen zu
erzielen. Wer es. nicht begreifen mag, daß der Technik solche Gewalt
eigen ist, denke an den Kunstgriff Goethes, womit er am Schluß des
„Werther“ eine so starke Wirkung erzielt, indem er auf das Imperfekt
plötzlich unvermittelt das Perfekt folgen läßt. Solche Nuancen. weiß
Liebermann als Maler meisterlich anzuwenden; ihre Summe ist ein wesent-
licher Teil des Kunstwerkes. Er ist nicht vom Zufall abhängig, was so
viele Maler in Bezug auf die so schwer zu erwerbenden Darstellungsmittel
ihrer Kunst sind; und sein Stil ist nicht auf Effekte angewiesen, die sich
bei der Arbeit so oft von selbst ergeben, denn ihm schwebt immer ‚ein
Ziel vor, das er erreicht, ohne sich unterwegs durch Verlockungen der