— DIE IMPRESSIO!”
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Velasquez, ist in seinen besten Gemälden oft sehr farblos. Und man darf
sich auch von Valeurvirtuosen wie Whistler und Carrie&re nicht zu Un-
gunsten Liebermanns einnehmen lassen, der wahrer, richtiger und gesunder
ist als beide Vielgerühmten. Daß Liebermanns Farbe, obwohl sie gar nicht
leuchtend, ja, grau und etwas trocken ist, die Nachbarschaft berühmter
Koloristen nicht zu scheuen braucht, haben die Ausstellungen der Berliner
Sezession in den letzten Jahren oft bewiesen, wenn Bilder von Liebermann
neben solchen von Trübner hingen. Die bedeckte Koloristik des Berliners
besiegte dann stets die einer. reichen Klangfreude hingegebene Eigenart
des Karlsruhers. Die fehlende Klangstärke wird in Liebermanns Bildern
ersetzt durch die größere Genauigkeit der Intervalle. Das Grün dieses
Künstlers ist durchaus nicht das Grün der Bäume, das Grau der Erde,
nicht das der Natur; sein Rot ist eine ganz persönliche, immer wieder-
kehrende Nuance; aber das fast mathematisch ausdrückbare Verhältnis der
Farben der Natur in verschiedenen Stimmungen ist scharf erfaßt und in
die individuelle Skala des Malers genau übertragen. Und darauf allein
kommt es dem Auge an; es fordert nicht die Klangstärke der Natur,
sondern das Gesetz ihrer Tonverhältnisse. Dieses zu finden heißt Farben-
psychologie treiben. Was 'Trübner in den letzten Jahren treibt, ist mehr
Farbenlyrik. Er bestimmt die Intervalle nicht objektiv nach Natur-
eindrücken, sondern subjektiv, auf Grund dekorativer Klanglust, der sich
das Naturobjekt anzupassen hat. Damit erreicht er größere Klangstärke;
doch vermag die Wahrheit des Tones diese Stärke vollkommen zu ersetzen,
ja, zu übertreffen. Ein Sonatensatz kann zwar nicht so laut, doch polyphoner
klingen als ein Orchesterstück. Auch Trübners Farbe ist heute noch
wahr, nicht willkürlich dekorativ wie etwa die eines Ornamentalisten; aber
es rächt sich, daß er vor der Natur nicht zuerst von dem Erscheinung
gewordenen Gesamtleben berührt wird, sondern zuerst von der aus dem
Ganzen gelösten Klangschönheit des "Tones. Er hat die Grenzen etwas
zu weit nach der Seite des Kolorismus überschritten. Liebermann hält
sich hingegen ängstlich von dieser Grenze fern und verzichtet lieber auf
farbigen Schein, um das tiefere Sein zu retten. Er zieht die notwendigen
dekorativen Elemente aus der Sachlichkeit, er steht auf viel festerer Basis
wie beispielsweise die Neo-Impressionisten, denen jeder Schatten zur selb-
ständigen Farbe wird und die darum immer in Gefahr schweben, Licht
und Schatten dekorativ auseinander zu reißen, nur um farbig mannigfaltig
zu sein. Damit zersprengen sie, um eine Dekorationseinheit herzustellen,