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MAX LIEBERMAN:
Das Augenmerk des Malers muß in jedem Fall zuerst und zuletzt darauf
gerichtet sein, das Einzelne einem Ganzen einzuordnen; bei dieser Arbeit
muß aber manches ausgeschlossen werden, das im Leben eine wichtige
Rolle spielt. Dem Impressionismus, der die leidende Natur ins Licht
einer Notwendigkeitsidee rückt, widersetzt sich naturgemäß der an sich
schöne, der nicht passive Stoff. Um auch diesen unter dem Zwange des
modernen Weltgedankens stehend zu zeigen, muß das Determinierte, Willen-
lose, das grotesk Charakteristische darin gesucht und betont, muß die
plastische Schönheit ignoriert werden, damit die malerische nur gezeigt
werden kann. Wollte der Impressionist versuchen, das schöne Modell
zugleich in seiner plastischen Schönheit und malerischen Relativität dar-
zustellen, so wäre es dasselbe, als wenn ein Musiker seiner Melodie einen
wertvollen, gedankenreichen Text, der sich Selbstzweck .ist, unterlegt. Wie
das eine Prinzip in diesem Fall das andere totschlägt, wie die Seele der
Melodie mit der gleich starken Seele des Gedichtes unerfreulich ringt,
und statt der Harmonie ein disharmonisches Zuviel herauskommt, so würde
auch. in einem solchen dualistischen Bild ein Nebeneinander heterogener
Dinge sein. und niemals. die Einheit. Es ist darum nicht Feigheit, wenn
Impressionisten den plastisch schönen Menschen, die linear schöne Gebirgs-
landschaft meiden und den neutralen Stoff suchen, ja, wenn sie sogar das
an sich Leidvolle vorziehen. Daraus eine Schwäche ihrer Kunst ableiten
wollen, heißt die kausalen Zusammenhänge nicht verstehen.
Man ersieht aus alledem, daß eine der wichtigsten Vorbedingungen
der impressionistischen Malerei die Distanz ist. Denn sie allein ermöglicht
das, was eben als Impression bezeichnet wird. Wo das Auge in der
Linienkunst wandern darf und ein Nebeneinander genießt, da gibt es für
das impressionistische Sehen nur ein Alles zugleich, ein Sehfeld, das voll-
ständig, mit einem einzigen Blick umfaßt werden kann. Wo das Auge
von einem Gegenstand zum andern geht, müssen diese Gegenstände not-
wendig Eigenbedeutung haben; wo solche Eigenbedeutung aber unterdrückt
wird, muß ebenso notwendig dafür etwas Anderes geboten werden. Dieser
Ersatz ist vom Maler nur herzustellen, wenn er weit genug vor seinem
Gegenstand zurücktritt oder Zahl und Größe der Gegenstände genug
beschränkt, um mit den. Objekten zugleich deren Relation zu der sie um-
hüllenden atmosphärischen Stimmung wahrnehmen zu können; nur dann, wenn
ein Ganzes in einem einzigen Blickpunkt konzentriert ist. In Verbindung
mit dieser Beschränkung, die zur künstlerischen. Kraft wird, steht die Be-