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Vom Schriftstellertage in Wien

Full text: Blätter vom Lebensbaum / Wildenbruch, Ernst von (Public Domain)

Vom Schriftstellertage in Wien 
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Wien hat während des Pfingstfestes der 
deutsche Schriftsteller⸗ Verband in General—⸗ 
versammlung getagt. 
Ob es der Frühling gewesen ist, der 
strahlend im Donautale eingekehrt war, der 
die Kastanien des Praters mit weißen und 
die Kastanien des Stadtparkes mit roten 
Blüten überschüttet und den ganzen Wiener Wald wie ein 
smaragdgrünes Riesenbukett sich vor die Brust gesteckt hatte, 
ob es die Gastlichkeit der Wiener Männer, oder die Lieblich— 
keit der Wiener Frauen, ob es der herzgewinnende Zauber der 
unverwelklichen alten Kaiserstadt, oder was es sonst gewesen ist — 
soviel steht fest, daß von den Teilnehmern an diesen Tagen 
keiner hinweggegangen sein wird, ohne das Gefühl mitzunehmen, 
daß es sich in den Gehegen des deutschen Schriftstellertums zu 
regen beginnt, wie sprossendes Leben, wie neues Hoffen, daß 
Keime gepflanzt worden sind, aus denen etwas werden kann, 
wenn die Sonne hinzukommt, die jedes menschliche Werk zum 
Wachstum braucht, der gute Wille und der tatkräftige Fleiß. 
Von den mancherlei Beschlüssen, die in Wien gefaßt worden 
sind, sollen hier zwei hervorgehoben werden, welche bemerkenswert 
sind, weil sie über den engen Bezirk innerer Verbandsinteressen 
hinausgehen, weil sie den ersten Ausblick in groß und weit ge— 
dachte Verhältnisse eröffnen, den Grundstein zu einem Bau 
gelegt haben, aus dem wirklich eine allgemeine deutsche Schrift- 
steller⸗ Vereinigung erwachsen kann, nicht nur dem Namen und 
der Form, sondern der Sache und dem Inhalte nach. 
Wie den Stein des Sisyphus wälzt das deutsche Schrift⸗ 
stellerum seit Jahren und Jahrzehnten den Plan vor sich 
her, für seine Alten und Invaliden eine Pensionskasse zu be— 
gründen. 
n 
Hundertmal unternommen und hundertmal eingeschlafen ist 
der Gedanke immer wieder aufgewacht beim Anblick dieser un— 
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