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Das „alte Haus“
Vom Boahnsteig läutete die Glocke zum Einsteigen. Ich
hatte keine Zeit mehr, dem Manne zu antworten, vielleicht hätte
ich ihm in dem Augenblick auch nichts zu antworten vermocht.
Nur in die Augen konnte ich ihm sehen, die Hand ihm drücken,
dann mußte ich fort.
Die Männer, die mit ihm zusammensaßen, hatten alle
die Augen auf mich gerichtet, und indem ich mich nach der Tür
wandte, nickten sie mir schweigend zu, als wollten sie bekräftigen
und bestätigen, was jener mir gesagt haͤtte.
Es ist lange her seitdem, aber der Vorgang lebt in meiner
Seele, als hätte er sich gestern zugetragen. Wer waren diese
Männer? Einfache Bürger von Hannover; und in den Herzen
dieser einfachen Männer war ein solches Bewußtsein von der
Kraft und Gewalt der dramatischen Dichtung, daß sie in einem
Drama eine politische Tat-Handlung erblickten.
Wenn ich damals hätte in die Zukunft sehen können! Wenn
ich damals diesen Leuten hätte sagen müssen: „In zehn Jahren
wird es so stehen, daß in Hannover überhaupt keine Stätte
mehr sein wird für die große dramatische Dichtung, in zehn
Jahren wird es kein königliches Theater in Hannover mehr
geben!“ Denn dieses war es, was ich neulich geträumt habe.
dies ist es, was mich im Wachen verfolgt.
Mir träumte, ich stände im königlichen Theater zu Hanno—
ver, ganz einsam in dem weiten, schönen, feierlich geschmückten
Raum.
Vom herabgelassenen Vorhange blickte Gott Apoll hernieder,
auf dem Wagen stehend, von weißen Rossen gezogen. Ein tiefes
Schweigen herrschte. Und plötzlich war mir, als würde von
draußen ein Wort hereingeflüstert, ganz heimlich und leise, als
schämte und fürchtete es sich vor sich selbst: „Schließt zu.“
Und das Geflüster lief durch alle Sitzreihen, durch alle Ränge,
hinauf und hinunter, bis daß es wie ein schwerer, dumpfer
Seufzer durch das Haus rauschte: „Schließt zu.“ Der gemalte