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„Landgraf, werde hart!“
in ihren Städten die Einwohner haben sich vermehrt und ver—
doppelt; Gesetze und neue Einrichtungen haben sie geschaffen.
Alles ganz schön, alles ganz gut, aber äußerlich alles, äußerliche
Mittel, um einen Organismus zu erhalten, der von ihnen ge—
stützt und getragen sein will, wenn er seinen Widersachern stand⸗
halten soll, dem nicht nur Blut in die Adern, sondern Seele
in die Seele geflößt werden muß, wenn er lebendig bleiben
soll. Diese neue Generation, was hat sie an deiner Seele ge—
wirkt? Ist das Wort „Vaterland“ zu einem unantastbaren, un⸗
verlierbaren Besitztum in ihnen geworden? Zu einem Begriff,
der unanfechtbar über allen Tagesstreitigkeiten der Parteien
steht? Den keine Gewalt uns wieder rauben kann?
Nein — sondern das, was die Angehörigen anderer Na—
tionen mit der Muttermilch einsaugen als etwas Selbstverständ⸗
liches, Natürliches, Angeborenes, Nationalgefühl, ist für uns
noch immer ein mühselig eingetrichtertes, künstlich beigebrachtes
Bewußtsein. Ein Menschenalter, das sind drei Jahrzehnte —
was haben in diesen drei Jahrzehnten die Männer, die zum
Volke sprechen, die deutschen Dichter, dem deutschen Volke ge—
sagt? Haben sie seine Seele freudig gemacht durch großes, be—
geisterndes Wort? Seinen Arm gestählt durch Hinweis auf die
Taten der Väter? Seine Augen erleuchtet durch Gedanken,
die in ewige Weisheit blicken? Das Gegenteil davon haben sie
getan, sie haben ihr Volk entnerovt. Mit Problemen einer
überreifen, überreizten Kultur haben sie die schlichten Instinkte
des Volkes verstört. An Stelle der dem Germanen ursprünglich
innewohnenden männlich- mannhaften haben sie eine feminine
Weltanschauung gesetzt. Mit den Erzeugnissen des Auslandes,
und gerade mit den der deutschen Natur fremdartigsten, feind⸗
lichsten, mit den marklosesten, haben sie den Markt überschwemmt,
von dem unser Volk seine Geistesnahrung erhalten soll. Da—
neben läuft in wüster Massenhaftigkeit eine seelen- und sinnen—
verderbende Hintertreppenliteratur einher, daneben eine Literatur