478 „Landgraf, werde hart!“
daraus das dumpfe Verlangen geboren wird, daß ein Mann
vorhanden sein möchte, der helfen kann, der eine Tat voll—
bringen kann, die uns emporreißt, daß ein Wort vorhanden sein
möchte, das einen Ausweg zeigt, das uns frei macht von dem
Erstickenden, das uns umlastet.
Darum, als seinerzeit die Thüringer Bauern unter einem
wilden, gewalttätigen Adel verkamen, der sie in den Pflug
spannte und seine Äcker mit ihnen pflügte, da ersehnte, erfand,
erdichtete sich das Volk den „Schmied von der Ruhl“, der dem
Landgrafen von Thüringen, als dieser in seiner Werkstatt saß
und ihm zusah, wie er das Eisen streckte, bei jddem Hammer—
schlag sein „Landgraf, werde hart, Landgraf, werde hart!“ in
die Ohren rief. Bis daß der junge, weiche Landgraf aufstand,
hinausging, seine Jagdgenossen und Zechkumpane beim Kragen
nahm, in den Pflug spannte, in den sie ihre Bauern gespannt
hatten, und sein Volk errettete und sein Land.
Dieses alles — warum ich es sage?
Weil ein Notstand in den deutschen Seelen ist; weil ein
dumpfes Allgemeinempfinden aufschwillt, daß manches, daß
vieles nicht so ist, wie es sein sollte; weil wir nach etwas
suchen, das uns erlöst. Dieser Notstand zwingt, vor das Volk
hinzutreten und ihm zu sagen: „Du darfst nicht weich sein,
denn die Welt, in der du lebst, ist hart. Darfst kein Kind
sein, denn alle die, mit denen du verkehren und verhandeln sollst,
sind erwachsen. Darfst nicht nur Mensch sein wollen, denn in
der Welt leben nicht Menschen nebeneinander, sondern Völker;
und daß auch du ein Volk bist, das darfst du nicht vergessen.
Und endlich, du mußt deinen Katechismus umlernen, darfst nicht
mehr denken, daß Wohlwollen unter allen Umständen und jeder
Bedingung das Höchste sei, darfst nicht mehr blindlings drauf
loslieben, wie du's getan, sondern mußt die Augen auftun,
damit du erkennst, wer deiner Liebe wert ist, und dein Herz
nicht verschwendest, deine Seele nicht vergeudest. Und wenn