468 Von Meiningen nach Weimar
wieder da. Wie beim Tode eines großen Mannes, der in
die Einsamkeit entwichen war, die ganze Fülle seiner Taten
noch einmal vor unser Bewußtsein tritt, nicht eine nach der
anderen, sondern alle zusammengedrängt zu einem einheitlichen
Sternenbild, so kam, dem einen noch aus persönlicher Erinnerung,
dem anderen aus Tradition, alles noch einmal über uns, was
die von ihrem Herzog geführte Künstlerschar uns gespendet
hatte, all das Befreiende, Erlösende, das Belebende, Befruchtende,
das ganze, große, unermeßliche, unvergängliche Seelengut. Und
unvergänglich sollte es sein, das war der Nachhall der Klage,
der zugleich mit dieser aus allen Seelen widertönte, und ein
Gedanke sprang auf: wieder aufgebaut muß es werden, das
heilige Haus, wieder aufgebaut aus Spenden, die aus ganz
Deutschland zusammenfließen, und aus dem Geburtshause der
deutschen dramatischen Kunst muß das Haus aller Deutschen,
das Nationaltheater werden.
Es gibt Gedanken, die wie menschliche Gesichter uns beim
ersten Anblick so verführen, daß wir zunächst den Inhalt gar
nicht näher prüfen. So erging es mir, als ich von diesem Vor—
schlage erfuhr, ich war berauscht. Dann aber hörte ich, daß
derjenige, dem das erste Wort in der Sache zukommt, der
Herzog Georg, sein Verdikt abgegeben hatte, und daß dieses
„nein“ lautete — er lehnte den Vorschlag ab. Und jetzt, nach⸗
dem ich mich anfänglich gesträubt, muß ich zugestehen: der
große Dramaturg hat recht gehabt. „Das Theater in Mei—
ningen“ — mir war's, als wenn ich ein Lächeln über das edle
Greisengesicht hinspielen sähe. — „Ihr Leute, ihr Leute, ist
denn das das nämliche wie das Theater der Meininger? —
Daß man eine Küche braucht, wenn man eine große Mahlzeit
herstellen will, das weiß wohl ein jeder — aber ist die Küche
darum identisch mit dem Bankett? — Die Küche ist abgebrannt
und dahin, die Mahlzeit, die daraus hervorgegangen, ist ver—
zehrt, ihre Wirkung aber nicht dahin. Die Speisen, die ich