Alt⸗ Berlin
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die ihn verehrten, auch dessen Namen verzeichnet fände. Also
beschlossen wir, denn wir wußten, daß Moltke ein belesener
Mann und Freund der Literatur war, den Versuch zu wagen.
Ich hatte die Ehre, dem Feldmarschall persönlich bekannt zu sein.
Mit der Liste, in welcher die oberste Zeile offen gelassen war,
verfügte ich mich zu ihm ins Generalstabsgebäude. Moltke saß,
als ich bei ihm eintrat, in einem Zimmer nach dem Königsplatz
hinaus, in einer Fensternische, vor einem kleinen, braunen Tisch.
Auf dem Tische lag sein großes, rotseidenes Schnupftuch; der
Militär-Aberrock, den er trug, erinnerte an die Überlieferung
vom Uniformrock des alten Fritz, der bekanntlich sehr abgetragen
und immer mit Schnupftabak bestreut gewesen sein soll.
Ich trug ihm die Sache, um die es sich handelte, und
unsere Wünsche vor — wie groß aber war mein Schreck, als
ich vernahm, daß Moltke von Gottfried Keller absolut nichts
wußte! Nicht seine Werke nur, sein Name sogar war ihm
völlig unbekannt. Ein anderer würde mich daraufhin kurz ab—
gewiesen haben, der alte Moltke aber war nicht nur ein großer,
sondern auch ein wohlwollender Mann. Er gestattete daher,
daß ich ihm die Bedeutung des Dichters kurz auseinandersetzte
und mir die Erlaubnis ausbat, ihm von der Buchhandlung, die
damals Kellers gesammelte Werke herausgab, ein Exemplar der⸗
selben zustellen zu lassen.
Darauf, als ich mich empfehlen wollte, überlegte er:
„Die Sache hat Eile?“
„Ja, sein Geburtstag ist ja schon nächstens.“
Eine abermalige Pause.
„Sie haben die Liste bei sich?“
Ich hielt sie in der Hand.
„Also — auf Ihre Empfehlung hin“ — er saß am Tische,
die Feder in der Hand — „wohin soll ich schreiben?“
„Ganz oben Exzellenz, als erster.“
Und im nächsten Augenblick, in schlanken, prachtvollen