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Alt⸗Berlin
Liebe hat er daran gedacht, das hat er mir selbst noch erzählt,
als ich vor Jahren in Zürich in der „Meise“ abends beim
Wein mit ihm zusammengesessen habe. Denn Berlin hat ihm
ein herrliches Geschenk gemacht, seine schönste Erzählung „Romeo
und Julia auf dem Dorf“ hat er in Berlin geschrieben. Nun
kam der 19. Juli 1889 heran, und das war der siebzigste Ge—
burtstag dieses Gottfried Keller. Da taten sich einige seiner
Verehrer, zu denen außer Mommsen, Erich Schmidt, Paul
Schlenther, Otto Brahm und anderen auch ich gehörte, zu—
sammen und berieten, was für ein Zeichen unserer huldigenden
Gefühle wir dem Manne darbringen sollten. Und auf meinen
Vorschlag wurde beschlossen, ihm ein Andenken an sein altes
Berlin zu stiften, in Gestalt von zwei Aquarellen, die Albert
Hertel malen sollte, eines den Tegeler See darstellend, den Keller
in seinen Gedichten besungen, das andere die Bauhofstraße, in
der er gewohnt haͤtte.
Albert Hertel also malte die Bilder; sie wurden wunder—
schön. Die beiden Bilder packten wir ein und schickten sie nach
Zürich. Und daß wir das Rechte getroffen, dem großen Dichter
eine große Freude bereitet hatten, das erfuhren wir, als wir
später hörten, daß Keller, als er zum Sterben kam, sich auf
seinem letzten Lager die zwei Bilder hat reichen lassen, sie in
den Händen gehalten und lange, lange, leise murmelnd, darauf
niedergeblickt hat.
Und nachdem ich so des großen Gottfried gedacht habe,
will ich noch von einem andern Großen erzählen, der auch in
diese Geschichte hineinspielt, von unserem Moltke, der ja damals
noch unter uns wandelte:
Die Bilder sollten mit einer Widmungsadresse abgeschickt
und die Adresse von allen unterzeichnet werden, die sich an dem
Geschenk beteiligten. Nun war uns bekannt, daß Gottfried
Keller ein Bewunderer Moltkes war; wir sagten uns, welch
eine Freude es für ihn sein würde, wenn er in der Liste derer,