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Alt⸗Berlin
die sich über Dinge unterhalten, die sie noch mit eigenen Augen
gesehen, am eigenen Leibe erlebt haben, während wir Heutigen
nur vom Hörensagen noch etwas davon wissen und aus
Büchern.
Dieses Alt-Berlin, das ist die Gegend, die man über—
blickt, wenn man vom Friedrichsdenkmal hinübersieht nach dem
Schloß, und wenn man die Gedanken nach rechts und nach
links weitergehen läßt bis an den Gensdarmenmarkt, jetzt Schiller⸗
platz, zur Rechten und bis an die Ebertbrücke zur Linken. Das
ist das Berlin der preußischen Geschichte, des Großen Kur—
fürsten, seines Sohnes, des ersten Königs, Friedrichs des Großen
und unseres alten Kaisers Wilhelm. Die Gegend, die jetzt so
vergnügt dreinschaut, weil ihr Herzstück ihr erhalten geblieben
ist, das eine Zeitlang so gefährdet war, das Opernhaus. Neu—
lich bin ich wieder einmal darin gewesen. Als ich an meinen
Platz kam, war es mir, als wenn der schöne, liebe Raum mir
zunickte: „Du hast auch für mich gesprochen) und manche Un⸗
annehmlichkeit dafür einstecken müssen. Aber tut nichts — du
warst mir auch Dank schuldig. Erinnerst du dich? Bald
zwanzig Jahre sind es nun her — wie ich damals deine
Quitzows in meine Arme genommen habe, in meine purpur—
warmen. — In einer Loge saßest du mit deiner Frau, erinnerst
du dich? Und mit euch saßen eure Freunde, der große Chirurg
von Bergmann und seine Frau, und außerdem noch ein Offizier,
der von Quitzow hieß. Nach dem zweiten Akt wurde dir
schwül, denn du glaubtest, das Stück fiele durch. Nachher kam
es anders. Entsinnst du dich?“ Ja, du altes, liebes Haus,
ich entsinne mich.
In diesem Alt-Berlin weiß ich leidlich Bescheid. Das
Verdienst ist nicht groß, denn der Bezirk ist nicht groß. Trotz-
dem — ob alle Berliner, wenn sie nach gewissen Straßen und
PY Vgl. oben den Aufsatz „Vandalen“.