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Biörnstjerne Björnson
ihren gottverlassenen Mann zum Beten in die Kniee niederzieht,
wir selbst niederknieen, weil wir uns beugen vor dem, was heilig
in der Menschheit ist, dem an seiner Liebe dahinsiechenden, in
seiner Liebe unzerstörbaren Weibe, die immer stumm geblieben ist,
weil der schrecklich viel redende Mann ihr zu reden unmöglich
machte, die das ganze Unheil hat werden, wachsen und kommen
sehn, und es in sich geschlossen hat, in ihr armes, schwellendes
Herz, bis daß jetzt endlich, endlich, endlich die Stunde kommt, wo
dieses von Verzweiflung überfüllte Herz sich zu Worten auftut.
Und diese Worte — nicht Anklage, nicht Zorn, nicht heulendes
Geschrei, sondern nur tief zitternde, leise Klage, und Liebe, Nach—
sicht, Vergebung auch noch in diesem Augenblick! Diese Frau
also, dieses milde Edelgeschöpf, hat er auch in seiner Seele be—
sessen, dieser Björnson; auch sie, wie der unerbittliche Advokat,
ist ein Bestandteil seines eigenen Innersten gewesen, sonst hätte sie
nicht so überzeugend zu uns sprechen, so greifbar leibhaftig vor
uns erscheinen können. Solche Strenge und solche Milde,
solcher Sturm und solches sanfte Wehen, solche Kraft zum
Zerschmettern und Bereitwilligkeit zum Wiederaufrichten, er—
barmungsloses Gericht und weisheitsvolles Verstehn, das alles
wohnt vereinigt in seiner Brust? Wahrhaftig, von mächtiger
Spannweite muß diese Brust sein! Und über Frau Tjälde
geht mein Blick hinaus — da begegnen mir deren Seelen—
schwestern: Frau Kamma Riis im „Neuen System“, Frau
Inge, Halvard Gjälas Weib, in „Zwischen den Schlachten“,
da begegnet mir, nicht ganz ihre Schwester, aber doch ihre Ver—
wandte, Frau Falk in „Leonarda“ und endlich und vor allen
Frau Klara Sang in „Über unsere Kraft“.
Alles reife, nicht mehr junge, vermählte Frauen. Soll
damit gesagt sein, daß das jungfräuliche Weib, das Mädchen
in ihm nicht wohnt? Indem ich dieses niederschreibe, ist mir,
als käme ein Lachen und Hüpfen auf mich zu, wie das silber—
helle Plätschern junger Ströme, die sich von schneebedeckten