Path:
Björnstjerne Björnson. Der Dramatiker. Einige Gedanken

Full text: Blätter vom Lebensbaum / Wildenbruch, Ernst von (Public Domain)

412 
Biörnstjerne Björnson 
ihren gottverlassenen Mann zum Beten in die Kniee niederzieht, 
wir selbst niederknieen, weil wir uns beugen vor dem, was heilig 
in der Menschheit ist, dem an seiner Liebe dahinsiechenden, in 
seiner Liebe unzerstörbaren Weibe, die immer stumm geblieben ist, 
weil der schrecklich viel redende Mann ihr zu reden unmöglich 
machte, die das ganze Unheil hat werden, wachsen und kommen 
sehn, und es in sich geschlossen hat, in ihr armes, schwellendes 
Herz, bis daß jetzt endlich, endlich, endlich die Stunde kommt, wo 
dieses von Verzweiflung überfüllte Herz sich zu Worten auftut. 
Und diese Worte — nicht Anklage, nicht Zorn, nicht heulendes 
Geschrei, sondern nur tief zitternde, leise Klage, und Liebe, Nach— 
sicht, Vergebung auch noch in diesem Augenblick! Diese Frau 
also, dieses milde Edelgeschöpf, hat er auch in seiner Seele be— 
sessen, dieser Björnson; auch sie, wie der unerbittliche Advokat, 
ist ein Bestandteil seines eigenen Innersten gewesen, sonst hätte sie 
nicht so überzeugend zu uns sprechen, so greifbar leibhaftig vor 
uns erscheinen können. Solche Strenge und solche Milde, 
solcher Sturm und solches sanfte Wehen, solche Kraft zum 
Zerschmettern und Bereitwilligkeit zum Wiederaufrichten, er— 
barmungsloses Gericht und weisheitsvolles Verstehn, das alles 
wohnt vereinigt in seiner Brust? Wahrhaftig, von mächtiger 
Spannweite muß diese Brust sein! Und über Frau Tjälde 
geht mein Blick hinaus — da begegnen mir deren Seelen— 
schwestern: Frau Kamma Riis im „Neuen System“, Frau 
Inge, Halvard Gjälas Weib, in „Zwischen den Schlachten“, 
da begegnet mir, nicht ganz ihre Schwester, aber doch ihre Ver— 
wandte, Frau Falk in „Leonarda“ und endlich und vor allen 
Frau Klara Sang in „Über unsere Kraft“. 
Alles reife, nicht mehr junge, vermählte Frauen. Soll 
damit gesagt sein, daß das jungfräuliche Weib, das Mädchen 
in ihm nicht wohnt? Indem ich dieses niederschreibe, ist mir, 
als käme ein Lachen und Hüpfen auf mich zu, wie das silber— 
helle Plätschern junger Ströme, die sich von schneebedeckten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.